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Zu Besuch beim Velotraum-Rahmenbauer

Einmal im Jahr besuchen wir unseren Rahmenbauer. Dazu steigen wir nicht ins Flugzeug nach Fernost, sondern ins Auto und fahren einmal über die Grenze.

Nach acht Stunden Autobahn rollten wir pünktlich um 14 Uhr auf den Hof von FORT Frames, seit 10 Jahren die Rahmenschmiede der Velotraum-Rahmen. Der nüchterne Zweckbau steht zirka 150 Kilometer östlich von Prag in Usti nad Orlici und könnte so auch in jedem anderen Gewerbegebiet Europas stehen. Der Unterschied wird nach dem Betreten aber schnell deutlich. Während in deutschen Industriehallen kaum mehr Menschen anzutreffen sind, wuselt es hier nur so – 60 Mitarbeiter zählt FORT. Aber dazu später mehr.

Nachtrag Mai 2009
Die 2009/10er-Stahlrahmen sind eingetroffen, die jedoch nicht mehr bei FORT gefertigt wurden. Nachdem wir schon seit eineinhalb Jahren die Alurahmen bei einem taiwanesichen Hersteller fertigen lassen, ist die Produktionsverlagerung nun auch für die Stahlrahmen unumgänglich geworden.

Unser langjähriger Partner FORT Frames konnte die Velotraum-Entwicklung zum Premiumanbieter leider (das meinen wir wirklich ernst) nicht mitgehen. Weder eine Weiterentwicklung, noch ein durchgängig hoher Qualitätsstandard war mit FORT, auch nach mehrmaligen Versuchen, zu realisieren (im vorletzten Absatz dieses Berichts hatten wir das schon recht deutlich anklingen lassen). Zum Glück haben wir mit Caribou einen Rahmenbauer, der sowohl Aluminium- als auch Stahlrahmen auf hohem Niveau fertigen kann. Top-Stahlrahmenbau ist inzwischen eine absolute Rarität, nicht nur in Fernost.

FORT Betriebsgebäude
Mitarbeiter beim Kaltschmieden
Rohre mit Laufzettel

Wir hatten für diesen Tag noch eine vierstündige Besprechung vor uns. Zwar erleichtern E-Mail-Austausch und CAD-Programm die Kommunikation ungemein, aber für den letzten Schliff ist der persönliche Kontakt, die Diskussion am realen 1:1-Produkt unverzichtbar. Zumal wir für 2007 bei jedem Rahmenmodell Änderungen vorgenommen hatten.

Obwohl FORT seit dieser Saison von uns die Rahmenzeichnungen als DWG-Dateien bekommt, die sie direkt in ihr CAD-System einpflegen können, bleibt eine Menge Arbeit bis zum ersten Mal Hand angelegt werden kann. Jede Rohrlänge, jede Fräsung, jede Bohrung, Öffnung, etc. muss angegeben und festgelegt werden. Und zwar pro Rahmenhöhe und -modell. Bei den inzwischen 70 verschiedenen Velotraum-Rahmen kommt da eine riesige Datenmenge zusammen (noch nicht berücksichtigt sind dabei die Velotraum-spezifischen Tretlagergehäuse und Steuerrohre).

In diesem Zusammenhang möchten wir nochmals betonen, dass die »normalen« FORT-Rahmen, die über diverse Quellen vertrieben werden nichts mit einem Velotraum-Rahmen gemein haben. Rahmengeometrie, Rohre, Anlötteile, Ausfallenden, Toleranzen und Verarbeitung sind velotraumspezifisch und machen den spür-und sichtbaren Unterschied.

Da FORT eher ein kleiner und sehr flexibler Rahmenbauer ist (20.000 Rahmen pro Jahr), der sich auf kleine Serien (5 bis 100 Rahmen pro Größe), spezialisiert hat, werden all diese Arbeitsgänge von Hand gemacht. Eine Automatisierung, soweit überhaupt möglich, wäre bei diesen Stückzahlen nicht wirtschaftlich. Und so ist es schon sehr eindrucksvoll, dass allein eine Gabel über 30 Arbeitsschritte benötigt bis sie fertig ist.

Um diese Vielfalt an Arbeitsschritten leisten zu können, ist die Halle vollgepfropft mit zum Teil gewaltigen Fräsmaschinen, Ständerbohrmaschinen, hydraulischen Pressen, Biegemaschinen und Rahmenlehren. Und an jedem der, zum Teil schon älteren und unverwüstlichen, Eisenkolosse steht ein Arbeiter, meist gelernte Schlosser. Der Begriff Manufaktur trifft hier voll ins Schwarze. Nur den ausgekügelten Arbeitsabläufen und dem vergleichsweise niedrigen Lohnniveau ist es zu verdanken, dass so ein im wahrsten Sinne des Wortes »handgemachter« Rahmen bezahlbar bleibt.

Sitzstreben werden in der Rahmenlehre an das Sitzrohr geheftet
Anlöten der Bremssockel
Produktionshalle

Eine weitere Besonderheit von FORT ist die eigene Pulverbeschichtungsanlage. Ein großes Plus im Kampf mit Fernost, denn die können nur »roh« oder »nasslackiert«. Diese Leistung aus einer Hand ist auch für uns eine prima Sache. Im Winter zudem ein beliebter, sehr warmer Arbeitsplatz, da der große Einbrennofen im gleichen Raum steht.

Ein Teil der für uns produzierten Rahmen wird bei FORT gelagert und je nach Bedarf abgerufen. In einer großen Halle stehen die Rahmenrohlinge bereit. Dort befindet sich auch das Rohr- und Teilelager. Mit Standardrohren sowie kundenspezifischen Rohren, wie wir sie überwiegend verwenden.

Beschichter bei der Arbeit
Lagerhalle
der neue Hinterbau wird begutachtet und kontrolliert

Wie schon anfangs erwähnt, der letzte Feinschliff geht nur vor Ort. Zum Beispiel die Ausführung des Hinterbaus. Dabei werden Muster gefertigt, die dann anhand der 1:1-Zeichnungen, Kaliber, mit montierter Kurbel, Hinterrad etc. überprüft werden.

Auch das Überprüfen und Richten der fertigen Rahmen ist ein sensibler Arbeitsschritt, an dem wir und FORT kontinuierlich arbeiten. Hier gilt es, immer wieder die optimale Balance aus Wünschenswertem, Notwendigem und Machbarem zu finden. Dabei fallen auch schon mal sehr deutliche Worte.

Obwohl wir das Ganze schon mehrfach gesehen haben, ist es für uns immer wieder ein faszinierendes und irgendwie unzeitgemäß wirkendes Wunder, wie aus ein paar Metallstangen und vergleichsweise simplen Werkzeugen so etwas schönes, präzises, vielseitiges und belastbares wie ein Fahrradrahmen entsteht. Ein wunderbares Thema für die acht Stunden Rückfahrt am nächsten Tag.

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