Einen Fahrrad-Marathon hatte sich der grüne Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel am 30. Oktober vorgenommen. Velotraum war eine von vier Stationen.
MdB Gastel (»Ich trete ein für die ökologische Verkehrswende.«) zeigte sich sehr interessiert und offen für die ungezählten Besonderheiten einer kleinen Fahrradmanufaktur und so vergingen die neunzig Minuten Besuchszeit wie im Fluge.
Allerdings hatten wir uns nicht nur zum Ziel gesetzt, die Velotraum-Manufaktur zu präsentieren. Bei Butterbrezel und Bionade diskutierten wir auch über die Fahrradpolitik und über die Möglichkeiten lokal etwas zu bewirken.
Dafür gäbe es leider kein Patentrezept,
so Gastel, sondern nur mühsame Überzeugungsarbeit. Das Fahrrad habe zwar keine offiziellen Feinde, aber auch nicht überall echte Freunde. Die abwartende bis reservierte Haltung in den Stadt- und Gemeindeverwaltungen sowie Landratsämtern gelte es nach und nach aufzubrechen, zum Teil seien das ziemlich harte Nüsse bzw. Holzköpfe. Beim Blick in Regionen, Städte oder Gemeinden, in denen den Entscheidungsträgern die Fahrradverkehrförderung wirklich am Herzen liegt, staune man was möglich ist… Doch leider habe das Rad als Verkehrsmittel in den höheren Amtsstuben nach wie vor zu wenig Unterstützer, zumal der Raum und Platz für eine bessere Fahrradinfrastruktur eigentlich nur noch zu Lasten der Flächen des motorisierten Individualverkehrs (MIV) gehen könne und da wird’s dann seeeeeehr heikel…
Dennoch, Aktionen wie »Mängelradtouren« mit dem Gemeinderat, Critical-Mass-Teilnahmen, unablässiges Anmahnen von Gefahrenstellen und Planungsmumpitz könnten im Kleinen und auf Dauer etwas bewirken. – Am nächsten Tag ließ Gastel diesen Tipps noch Taten folgen und war beim siebten Böblinger Critical Mass dabei.
Ein wirksamer Beitrag
und quasi Pflicht für jeden Radler ist die Beteiligung am aktuellen ADFC-Klimatest. Eine sehr wichtige und nur alle zwei Jahre durchgeführte Bestandsaufnahme, die noch bis Ende November läuft und bei der jede Stimme zählt. Denn nur mittels großer Teilnehmerzahlen ist es möglich, mehr Gehör in der Verwaltung und Politik zu finden. Ernüchternd freilich, dass die Teilnahme in manchen Ecken des Landes – und speziell in unserer Region – bisher zu gering ist, dabei ist es so einfach und bequem!
Noch wirksamer ist die Kraft des Faktischen, wenn Radfahrer geballt auftreten und im Verkehrsraum allerorten zu einer unübersehbaren Größe werden. Spätestens dann sehen sich Politik und Verwaltung genötigt zu handeln. Also: rauf aufs Rad!
Kommentare
Zu Bild 1 schreibt ihr:
“Mehr als nur »Optik«: die Farbviefalt als Sinnbild. . .”.
Das sind dann sozusagen “Lebensmittel-Farben”, oder? ;-)
“Aktionen wie . . . unablässiges Anmahnen von Problem- und Gefahrenstellen sowie Planungsmumpitz,”
Okay, dann lasst uns mal die Foto- und Videofunktion unserer Smartphones nutzen und entsprechende Mängel dokumentieren und z.B. hier veröffentlichen.
Ein anderer Punkt ist, dass man natürlich die Lokalpresse informieren muss. Lokalredaktionen interessieren sich immer für Gefahrenstellen und behördlichen Planungsmumpitz.
Passt hier noch ganz gut rein. – Das Fahrrad hat zwar keine “offiziellen Feinde”, aber zumindest im SWR 1 keine oder wenig Freunde. Zum Beispiel die SWR-Moderatorin Janet Pollok, die mit undisziplinierten Radfahrern (sicher berechtigt), aber auch mit der »Überversorgung« und »Gleichberechtigung« des Fahrrads im Verkehrsraum (…) ein Toleranzproblem hat.
Die Aufgabe des Bundestags ist die Gesetzgebung auf Bundesebene. Ein Mitglied des Bundestages empfiehlt nun dringend “lokal zu handeln”, wenn man verkehrspolitisch etwas zum Besseren verändern will. Heißt das, dass Matthias Gastel seinen Job für sinnlos erachtet?
Pit S.: “verkehrspolitisch etwas zum Besseren verändern” . . .
kann man vielleicht auch, wenn man bei der “Clevere Städte”-Petition Machen Sie das Zuparken teurer, Herr Verkehrsminister! teilnimmt.
Das Fahrrad-Blog Velophil von Zeit-Online bringt einige Gedanken und statistische Zahlen zum Thema.
“In dieser Woche soll im Bundesrat das Bußgeld für Schwarzfahrer angehoben werden – es ist schon jetzt viel höher als die Strafe für Falschparker.
Der gesellschaftliche Aspekt hinter Strößenreuthers Petition ist interessant: Wie gewichtet die Politik die beiden Vergehen und wie unterschiedlich bewertet sie den Schaden, der der Gemeinschaft durch Schwarzfahren oder Falschparken entsteht?
Ist es angemessen und gesellschaftlich gewollt, dass ein Falschparker, der andere gefährdet, zehn Euro zahlt und der Schwarzfahrer, der zwar niemanden gefährdet, aber die Verkehrsbetriebe prellt, [zukünftig] 60 Euro?”
Schau mal, es gibt bereits die passende Moralwächter-Webseite und eine entsprechende Denunzianten-App für Android dazu: Wegeheld – Freie Wege für clevere Städte
Deutschland muss pietistischer werden – jawollja.
Es sind größere Veränderungen seit geraumer Zeit im Gange. Vielleicht ganz interessant in diesem Zusammenhang:
“Nur noch 37 Prozent der Neuwagen werden von Privatleuten gekauft, gewerbliche Zulassungen überwiegen. In den 1990ern war das Verhältnis umgekehrt.
Der Neuwagenmarkt in Deutschland wird in diesem Jahr wohl einen neuen Negativrekord erleben: Der Anteil der Privatleute, die ein fabrikneues Auto zulassen, dürfte 2014 so niedrig liegen wie noch nie. Im bisherigen Jahresverlauf entfiel nur etwas mehr als ein Drittel aller Neuwagen-Anmeldungen auf private Halter, und gut zwei Drittel aufs Gewerbe.”
http://www.zeit.de/mobilitaet/2014-12/zulassung-pkw-deutschland-privat-gewerbe/komplettansicht
München rechnet für 2015 mit 1,5 Millionen Einwohnern. Straßen und Nahverkehr sind für so viele Einwohner gar nicht ausgelegt. Im Kampf gegen den Verkehrsinfarkt prüft die Stadt auch ungewöhnliche Konzepte:
- Seilbahnen (Gondeln über die Isar)
- führerlose Kabinenfahrzeuge
- Zweite S-Bahnstammstrecke
- Bypass-U-Bahn (Express-Linien zur Entlasung)
- Taktverkürzung (statt alle 2,5 Min., alle 2 Min. ein Zug)
- Expressbus-Linien (erste Praxiserfahrungen vorhanden)
- neue U-Bahnstrecken
- neue Trambahnstrecken (bis 270 Plätze anstatt 100 im Bus)
- mehrere Tunnelstrecken
- Fahrradschnellwege
- Unternehmen bieten im Intranet an, Mitfahrgelegenheiten zu organisieren
Die Realität in München sehe so aus, “dass niemand freiwillig mit dem Auto ins Stadtzentrum fährt, wenn er nicht muss”, sagt Hans Podiuk, CSU-Fraktionschef im Münchener Stadtrat.
Zwischen all diesen Multi-Millionen-Interessen und -Kräften dürfte es für eine Gruppe wie den ADFC sehr schwer werden, sich Gehör zu verschaffen.
http://www.zeit.de/mobilitaet/2014-12/muenchen-verkehrsinfarkt-nahverkehr/komplettansicht