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Zu Besuch bei »Tubus« in Münster

Mit dem Gepäckträger-Spezialisten Tubus verbindet uns schon eine sehr, sehr lange und ein wenig spezielle Partnerschaft.

Und fast ebenso lange besteht schon der Wunsch und die Absicht, die inzwischen zum »Weltmarktführer« avancierte Firma und ihren Chef Peter Ronge zu besuchen.

Weltmarktführer klingt natürlich im ersten Moment reichlich übertrieben, insbesondere wenn man die Weltmarktführerschaft nur an den Stückzahlen fest machen würde. Wenn es aber um den Dreiklang Funktion, Qualität und Quantität geht, dann ist dieser Titel im Moment sicherlich mehr als gerechtfertigt.

Frühe Kontakte und eine lange Partnerschaft

Im Schwäbischen würde man Peter Ronge als einen »Verhockten« bezeichnen, da der bodenständige Kosmopolit sein geliebtes Münster noch nie für längere Zeit verlassen hat. Bevor Peter Ronge mit seiner Firma Tubus zur Gepäckträgerinstanz wurde, war er unter anderem Radladenbesitzer sowie Rahmenbauer und hat Liegeräder und den Reiserad-Rahmen »Haas-Extratour« gefertigt. Der »Extra-Tour«, eine Auftragsarbeit für den Rosenheimer Santana-Importeur Wolfgang Haas, war seiner Zeit mindestens 15 Jahre voraus und in den Velotraum-Anfängen unsere bevorzugte Basis für gute Randonneure [so gut man die halt mit 28-Zoll-Laufrädern bauen kann ;-)]. Dass dieser Rahmen in Münster von Peter Ronge produziert wurde, wussten wir zu dem damaligen Zeitpunkt (zirka 1988–1990) allerdings noch nicht.

Zu einem direkten Kontakt kam es erst, als wir für das Velotraum-Konzept besonders steife, funktionale und haltbare Gepäckträger suchten und bei Tubus das Gesuchte fanden. Im Februar 2003 standen wir dann per Zufall Stand-Rücken an Stand-Rücken auf der Bremer-Fahrradmesse und beschlossen spontan einen ersten gemeinsamen Messeauftritt in Friedrichshafen. Zwei weitere gemeinsame Auftritte folgten, aber auch eine Krise, als Tubus einmal der Messe »fern bleiben musste«. Notgedrungen und zur Verwunderung aller Besucher füllten wir mit Ach und Krach die für unsere Betriebsgröße gewaltigen 80 Quadratmeter… Möglich war dies nur, da Tubus trotz Abwesenheit 50 Prozent der Standfläche bezahlte. So was nennt man fair und erhält die Freundschaft.

Vom Local zum Global Player

Inzwischen hat die Firma Tubus eine eindrucksvolle Entwicklung vollzogen und produziert für ein mittelständisches Unternehmen eine imposante Menge Gepäckträger pro Jahr. Diese noch recht junge Erfolgsstory beruht im Wesentlichen auf zwei Säulen: der Tubus-Zweitmarke Racktime, die für intelligent konstruierte und hochwertige Aluminium-Gepäckträger steht und dem Elektrorad-Boom.

Als Tubus vor zirka fünf Jahren mit viel Geheimnsikrämerei – um die Kernmarke Tubus nicht zu beschädigen – Racktime auf den Weg brachte, eroberten die Träger sehr schnell die Fahrrad-Mittelklasse. Kein Wunder, denn die Mitbewerber hatten sich zu lange auf ihren vermeintlich sicheren Pfründen ausgeruht. Desweiteren machten sich mehr und mehr Fahrrad-Hersteller das Know How von Peter Ronge zunutze und ließen oder lassen sich Gepäckträger-Sonderausführungen entwickeln und produzieren.

Diese einmalige Kombination aus Entwicklungs- und Fertigungs-Know-How war dann kurze Zeit später bei den E-Bikes noch viel mehr gefragt, denn die abnehmbare Akku-Unterbringung benötigt aufwändige Gepäckträger-Sonderentwicklungen. Hersteller, die meinten, dass sie diese diffizile und oft nervtötende Detailarbeit an einen asiatischen Zulieferer delegieren können, mussten viel Lehrgeld bezahlen. Auch bei Tubus wurden bei der Produktion dieser Monsterträger gelegentlich betriebswirtschaftliche Nullen produziert. Inzwischen haben Peter Ronge und sein Team jedoch so etwas wie ein Monopol für funktionierende E-Bike-Gepäckträger-Lösungen.

Pflicht und Kür

Dass Wachstum und Größe nicht zwangsläufig zu Identitäts- und Qualitätsverlust führen müssen, dafür ist die Firma Tubus ebenfalls ein schönes Beispiel. Zwar haben die bei Fahrradliebhabern und Fernreisenden so geschätzten »Tubus«-Gepäckträger ebenfalls eine steile Wachstumskurve hinter sich, aber so richtige Stückzahlen – mit den entsprechenden Skalierungseffekten – brachte erst die Volumen-Marke »Racktime«. Und mit dem Wachstum wuchsen auch die Möglichkeiten in allen Bereichen des Münsteraner Unternehmens und somit die Qualität beim Premium- und beim Volumenprodukt.

Einziger Wermutstropfen, der Quotenbringer Racktime und insbesondere die vielen Auftrags-Entwicklungen, verschlingen (zu)viel der begrenzten Ronge-Ressourcen. Und so dauern Weiterentwicklungen, z.B. bei den Tubus-Trägern, manchmal ziemlich lange – obwohl an den Stahlrohr-Gepäckträgern Peter Ronges Herzblut hängt. Die »Sachzwänge«, die der Erfolg und die Spielregeln von Großabnehmern mit sich bringen, muss auch der leidenschaftliche Konstrukteur und kunstsinnige Liebhaber von schönen Dingen akzeptieren. Dass sich das Warten aber dennoch immer wieder lohnt, wird die neue Tubus-Evo-Serie beweisen, die im Sommer 2012 auf den Markt kommt (siehe auch Messebericht Eurobike 2010)

Fertigungstiefe, Qualitätsanspruch und unternehmerischer Idealismus

Im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern lässt Tubus seine Träger nicht bei »irgendwelchen« Firmen in Fernost herstellen, sondern hat eine eigene Fertigung in Asien. Denn nur so lassen sich Qualität, Know How und Arbeitsbedingungen langfristig sichern. Auch die eigene Pulverbeschichtungsanlage in Münster zeugt von diesen sehr hohen und hartnäckig verfolgten Ansprüchen. Der Chronist hat ja schon einige Pulverbeschichtungsbetriebe gesehen und die Sauber- und Übersichtlichkeit bei Tubus war da schon eine Klasse für sich. Ebenfalls nicht selbstverständlich, die permanent im Einsatz befindliche Salzsprüh- und UV-Kammer sowie der Belastungsprüfstand. Nichts – oder nur wenig und dann mit den Zähnen knirschend – überlässt Peter Ronge dem Zufall. Für einen Premium-Fahrradhersteller wie Velotraum ist ein solcher Partner schlicht ein Traum!

Doch selbst so ein Universaltalent und umtriebiger Überflieger ist nichts ohne ein gutes Team. Knapp 20 Frauen und Männer halten ihrem Chef den Rücken frei, schmeißen den Laden, wenn Peter Ronge auf seinen vielen Auswärtsterminen und Reisen ist und sorgen dafür, dass der Gepäckträgernachschub rollt und rollt. Auch die Schrullen, die jeder Selfmade-Unternehmer zur Genüge hat – Chronist eingeschlossen – müssen konstruktiv mitgetragen werden :-)

Eine ganz andere Facette der Tubus-Unternehmens-Philosophie ist die inzwischen langjährige Zusammenarbeit mit dem Varia Integrationsunternehmen. Ein gutes Dutzend Frauen und Männer mit und ohne Handicap vervollständigen die Tubus- und Racktime-Gepäckträger mit Montage- oder sonstigen kundenspezifischen Zubehörteilen wie Rücklicht, Federklappe, Lichtkabel usw. Im Keller der ehemaligen Hemdenschneiderei – ebenfalls eine Tubus-Firmen-Immobilie – lagern dann die fertigen Träger.

Anekdotenhaft das Wiesengelände direkt daneben. Hier hält der Firmenchef ein Dutzend Hühner mit üppigem Auslauf und zieht Biogemüse. – Zumindest solange, bis der nächste Wachstumsschub nach noch mehr Lager- und Produktionsfläche verlangt ;-)

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