Mit zwei leicht bepackten »Findern« erkundeten Anita und Andi die Nebenstraßen, Pässe und entlegensten Winkel Perus, Boliviens und Nordchiles.
Wir freuen uns sehr, hier schon mal einen fesselnden Reisebericht und viele faszinierende Bilder – ein guter Monitor ist von Vorteil – von dieser Tour präsentieren zu dürfen.
Auf einen Reisevortrag über »das Reich des Kondors« müssen wir uns allerdings noch etwas gedulden … Die beiden Österreicher wollen ihren geliebten Anden erst nochmal einen weiteren Besuch abstatten. Immerhin konnten wir Andi – mitten in der Vortragssaison – dazu überreden, uns noch Bildunterschriften zu den phantastischen Bildern zu schreiben. Vielen lieben Dank auch dafür, denn das ist eine echte Kärrnerarbeit. O-Ton Andi: »… bei dem zehnten Serpentinenfoto geht einem langsam aber sicher die Kreativität aus« ;-)
Im Reich des Kondors
Ein Bikepacking-Abenteuer durch Peru, Bolivien und Nordchile
Anita Burgholzer und Andreas Hübl
5.000 vertikale Meter Anstieg – und das in einem Stück! Kaum flache Passagen und kein einziger Downhill. Von der nebeligen Küste hinauf in eine einsame, grandiose Bergwelt mit stahlblauem Himmel und leuchtenden Gletschern … Klingt nach einem Radabenteuer der Extraklasse – nur wo findet man diese Superlative? Wer sich solch schier unvorstellbaren Herausforderungen stellen möchte, der sollte einen Trip in die Anden in Erwägung ziehen. Die längste Gebirgskette der Welt ist ein Paradies für Gravel-affine Höhenmeter-Freaks und abenteuerlustige Biker, die Einsamkeit, körperliche Herausforderungen und sagenhafte Naturerlebnisse suchen. So beginnt auch unser neues Bikepacking-Abenteuer mit einem sechstägigen „Klettertraining“, welches in Perus Hauptstadt Lima auf Meereshöhe startet und uns schlussendlich mit pochendem Herzen und strahlenden Augen auf dem 4.930 Meter hohen Paso Ushuayca ausspuckt. Wir sind wieder unterwegs – auf zwei „Velotraum Finder“ – im Reich des Kondors.
„Da wart ihr doch schon während eurer Rad-Weltreise“, meint Anitas Vater, als wir begeistert von unseren neuen Reiseplänen erzählen. Er hat Recht, aber die Anden sind gewaltig! Alleine unser Alpenbogen würde mehr als sechsmal der Länge nach hineinpassen. Damals, mit klassischen Tourenrädern und viel zu viel Gepäck ausgestattet, radelten wir auf einer mehr oder weniger „weltreisetauglichen“ Route von Nord nach Süd. Diesmal wollen wir mit unseren leicht bepackten „Findern“ die Nebenstraßen, Pässe und entlegensten Winkel Perus, Boliviens und Nordchiles unter unsere 2,8 Zoll breiten Stollenreifen nehmen. Wir sind gespannt, wie es sein wird. Ob die Erinnerungen in unseren Köpfen verklärt sind, ob wir uns die Dinge schöner geredet haben, als sie eigentlich sind. In den nächsten Monaten werden wir es genauer wissen.
Die Route bringt uns als „Einstieg“ zu großen Teilen entlang der „Peru Divide“ bis in die Stadt Arequipa. Diese spektakuläre Strecke wurde von Neil und Harriet Pike (andesbybike.com) zusammengestellt und führt auf staubigen Schotterpisten und über viele hohe Pässe entlang der transkontinentalen Wasserscheide der Anden. „El Silencio“ – „Die Stille“, so nennen die Peruaner jene entlegenen Hochgebirgslandschaften, in denen wir die nächsten Wochen unterwegs sein werden. Es ist eine weltentrückte, raue Gegend mit einer unbeschreiblichen Schönheit, die uns alles abfordert. Die Tage sind geprägt von teils miserablen Pisten und unzähligen Pässen, die uns in Höhen von knapp 5.000 Meter bringen. Nur selten fällt unser Höhenmesser unter die 4.000 Meter-Marke, eine perfekte Akklimatisation ist hier Pflicht. Wir haben uns langsam an die extreme Höhe herangetastet und sind gut angepasst. Nichtsdestotrotz kommen wir nur langsam voran, unsere Kilometerbilanz ist bescheiden. Trotz der Strapazen genießen wir die einsamen Etappen und grandiosen Lagerplätze, aber auch die kleinen, unscheinbaren Dörfer und Städte, durch die wir radeln. Nichts, was man üblicherweise auf der Must-See-Liste eines Peru-Reisenden findet. Und genau das reizt uns. Wir erleben das Land so, wie es ist. Unverblümt, ohne Maske und ohne inszenierter Idylle. Dafür mit sehr viel Authentizität und mit voller Wucht.
Wir nehmen den südlichen Loop des Camino del Puma bis Copacabana, einem schmucken Städtchen an den Ufern des legendären Titicacasees. Anfangs radeln wir auf angenehmen Höhen durch eine von Landwirtschaft geprägte Region, bis uns ein langer Downhill im kakteengesäumten Tal des Rio Tambo ausspuckt. Auf 1.300 Meter Seehöhe ist es heiß, windig und staubig. Von nun an geht´s wieder mal steil bergauf – diesmal gleich für drei ganze Tage am Stück! Mühsam schrauben wir uns in endlosen Serpentinen durch eine wüstenhafte Gegend hinauf. Die Anstiege sind fast durchgehend steil, nur selten gönnt uns die gnadenlose Topografie eine kurze Verschnaufpause. Dafür werden wir oben mit einer atemberaubenden, von Lavasand und tiefblauen Lagunen geprägten Mondlandschaft entschädigt. Doch die nächste Herausforderung wartet bereits, das Wetter beginnt langsam umzuschlagen und kündigt die nahende Regenzeit an. Links und rechts von uns gehen heftige Schauer nieder, Blitze zucken und der Donner scheint die Felsen um uns zertrümmern zu wollen. Manchmal erwischt es uns. Zumindest einen Vorteil bietet das Radeln auf Höhen ab 4.000 Meter: Der Regen fällt meist als Schnee und durchnässt einem zumindest nicht sofort die Bekleidung!
Etwas müde und verdreckt kommen wir nach zwei harten Wochen in Copacabana, Bolivien, an. Unsere Waden freuen sich über ein paar Ruhetage und die heiße Dusche vertreibt den letzten Dreck aus unseren Poren. Das Wetter ist nach wie vor unbeständig, trotzdem wollen wir bald wieder weiter. Die nächste Etappe soll uns vom Titicacasee hinüber in den Norden Chiles und über die größten Salzseen der Erde wieder zurück nach Bolivien bringen.
Als Alternative zur mittlerweile ziemlich überlaufenen „Lagunenroute“ ist uns bei der Recherche eine unter Bikepackern als Ruta de las Vicunas bekannte Etappe durch das nordchilenische Altiplano untergekommen. Auf knapp 300 Kilometern radeln wir auf meist einsamen Schotterpisten durch eine faszinierende Region. Links von uns reihen sich schneebedeckte Vulkane aneinander, wir beobachten fasziniert die spärliche Tierwelt des Altiplano. Vor allem erspähen wir scheue Vicuñas, die wilden Verwandten der Alpacas, aber auch putzige Viscachas, die aussehen wie ein Kaninchen mit langem Schweif. Dann und wann schwebt ein Kondor weit über unseren Häuptern durch die Höhen, Flamingos staken tollpatschig durch die salzigen Lagunen und als Highlight entdecken wir eines Morgens frische Pumaspuren unweit unseres Zeltes. Gänsehaut!
Der Salar de Uyuni ist mit seinen 10.000 Quadratkilometern die größte Salzfläche der Welt und sogar größer als das österreichische Bundesland Kärnten. Gemeinsam mit dem weiter nördlich liegenden Salar de Coipasa bildet er die Kulisse unserer letzten Etappe, die im Städtchen Uyuni enden wird. Die Querung der ersteren Salzpfanne erweist sich als äußerst ruppig. Etwa vier Stunden holpern wir schnurgerade über eine unregelmäßige, feuchte Salzschicht, die uns mehr als jede noch so miese Waschbrettpiste durchschüttelt. Vom Örtchen Tahua aus entern wir schließlich den legendären Salar de Uyuni. Diesmal ist die Salzfläche sehr gut zu befahren. Auf der von zahlreichen Fahrzeugen genutzten Spur düsen wir mit für unsere Verhältnisse rasanten 20 km/h zur „Isla Incahuasi“, einer aus versteinerten Korallen bestehenden Insel inmitten des ewigen Salzes. Auf der windabgewandten Ostseite finden wir eine kleine Viehpferch, die uns als Nachmittags- und Nachtlager dienen soll. Nur selten spaziert der eine oder andere Tourist an unserer temporären Behausung vorbei, wir haben die von jahrhundertealten Säulenkakteen bewachsene Ostflanke der Insel fast für uns alleine. Richtig magisch wird es zur Abenddämmerung, die die Landschaft in ein unbeschreibliches Bild verwandelt. Die gigantischen Kakteen scheinen zu glühen, auf der unendlichen Salzfläche zeichnen sich kontrastreich die regelmäßigen Hexagon-Muster ab. Nach einem ebenso grandiosen Sonnenaufgang flitzen wir mit Rückenwind die 70 Kilometer bis ans Ostufer, von wo es nicht mehr weit nach Uyuni ist.
Beide hängen wir auf den letzten Kilometern unseren Gedanken nach und kommen unabhängig voneinander zum gleichen Schluss: Es war eine harte Reise, die uns oft an unsere Grenzen gebracht hat – und es ist noch genauso grandios und intensiv wie vor acht Jahren. Die Anden bringen dich im wahrsten Sinne des Wortes manchmal an deine tiefsten Abgründe – und auf deine höchsten Höhen.
- Nandita-Reisebericht Great Divide
- Nandita-Vortrag bei Velotraum
- Nandita-Homepage
Kommentare
Klasse Tour, tolle Fotos!
Sers Anita, Sers Andi,
Ich finde eure Berichte den Wahnsinn!! Danke für diese Inspiration;–)
Ich hätte nun eine Frage zu den radeln – ich bin gerade auf der Suche nach meinem neuen Reiseradl. Habe mir vor 4 Jahren ein patria vorgestellt mit Rohloff und habe dabei total danebengegriffen. Nichts gegen das Rad, aber ich bin bei meinen Radtouren doch eher im Gebirge (zumeist militärpässe in den südalpen, gardasee, Überquerungen) unterwegs und habe festgestellt, dass das patria zu schwerfällig und sperrig ist. Da ich nun den Finder mit euren Bildern entdeckt habe, würde ich nun gerne wissen, ob der Finder doch eher einem MTB nahekommt, in seinem Fahrverhalten und Handhabung? Ich bin halt ein alter mtbler und hätte gerne ein mtb–fähiges reiserad. Mit welchem schaltwerk und Bremsen wart ihr in Bolivien? Würde mich über eure Anregung freuen.
Marco aus Minga
@ Marco: Bis Anita und Andi mal wieder die VT-Homepage besuchen und Dir antworten können schon mal eine Reaktion von mir.
Wie Du bereits richtig vermutet hast: der Finder ist vielmehr ein Hardtail als ein klassisches Reiserad. Das Rad hat viele sportliche Anleihen – Sitzwinkel, Lenkgeometrie, ist aber erheblich steifer und robuster als ein Mountainbike. Dazu kommen die notwendigen Gewindeösen für Gepäckträger usw. Die Technik in den Nandita-Finder: XT-Schaltung (2×11) und -Bremse.
@ Marco, sorry für die heillos verspätete Antwort! Die Gründe möchte ich dir ersparen, deshalb versuche ich gleich, auf deine Fragen einzugehen.
Wie Stefan bereits geschrieben hat, fühlt sich der Finder (im Vergleich zum “normalen” Reiserad) eher sportlich an und erlaubt je nach Ausstattung auch Fahrten abseits guter Straßen und Pisten. Und das mit erstaunlichem Komfort (Voraussetzung ist der richtige Luftdruck in den Plus-Reifen). Ich denke es kommt auch ganz darauf an, wie du dir das Bike aufbauen lässt: Welcher Lenker, Federgabel ja / nein, Höhe Vorbau, Reifenwahl … Solltest du beim MTB eher ein vollgefedertes All-Mountain gewöhnt sein, dann fühlt sich der Finder natürlich gaaanz anders an. Bist du ein Hardtail gewöhnt, kommst du je nach Konfiguration der Sache sicherich näher. Die Steifigkeit ohne Gepäck ist aber nicht außer Acht zu lassen. Das Rad ist ja eher für beladene Einsätze konzipiert, was sich eben auf das Fahrverhalten auswirkt solltest du mal ohne Taschen unterwegs sein. Ich rede hier aber von ruppigen Trails mit Wurzeln und Steinen. Auf “normalen” Schotterstraßen, Pisten und Asphalt ist das eher nicht das Problem.
Du schreibst, dein Patria wäre dir zu schwerfällig gewesen. Ich denke dass du diesbezüglich mit dem Finder glücklicher wirst. Trotzdem ist und bleibt es ein robustes, geländegängiges Reiserad mit einem etwas höheren Eigengewicht als im MTB-Hardtail Bereich üblich. Entsprechend wirst du im direkten Vergleich Unterschiede merken. Alles in allem würde ich dem Finder aber sehr gute Alround-Eigenschaften zusprechen, mit besonderen Stärken im schwerpunktmäßigen Einsatzbereich und Schwächen an den Randbereichen (direkter Vergleich zu reinrassigem MTB).
Herzliche Grüße,
Andi
@marco
Vielleicht ist der Kommentar zu spät, aber besser spät als gar nicht.
Ich habe 16 Jahre das Velotraum-Konzept-Rad mit Stahlrahmen und Roloff gefahren. Im Haushalt haben wir ein identisch ausgestattetes Patria Terra, um auf Reisen den Ersatzteilvorrat zu minimieren.
Ich kann auf dem Patria wegen der längeren Rahmengeometrie nicht gut fahren und fühle mich darauf nicht wohl.
Seit 2,5 Jahren fahre ich das Finder FD12 18G mit 57mm Schlauchlos-Reifen und gefühlte Vollausstattung mit Beleuchtung, Regenschutz und Gepäckaufnahme. Gefühlt ist das System vollbeladen (25 kg Gepäck) nicht ganz so stabil wie der Stahlrahmen. Aber diese Woche bin ich mit leichter Ortlieb-Tasche an Gepäckträger eine mehrstufigen Treppe hinuntergefahren. Das Rad ist traumhaft und wahnsinnig schnell. :)
Gruß,
Michael