Inzwischen läuft die Produktion der Pilgerräder. Damit hat das Bangen und Hoffen (fast) ein Ende.
Bangen und Hoffen nicht nur bei unseren Kunden, sondern auch bei uns, denn der Serienanlauf hatte und hat so einige Überraschungen parat… Eine Fotostrecke zu zwei ersten Pilger-Touren gibt’s am Ende des Berichts.
No risk, no fun oder so…
In der Rückschau ist unser Pilger-Projekt schon ein ziemlich tollkühnes Unternehmen. Erst jetzt, nachdem wir das erste Dutzend Räder gebaut haben und dabei einzelne Komponenten erstmals in den Händen hielten (bedingt durch die elenden Lieferverzögerungen), wird uns klar, was alles hätte schief gehen können, nicht nur im Sinne von nicht passen und nicht funktionieren.
Mehrmals standen wir allein beim Rahmen- und Gabelbauer kurz vor dem Aus, da sowohl Rahmen- aks auch Gabellieferant das Handtuch schmeißen wollten – zu schwierig, zu aufwändig, zu geringe Stückzahlen… Es gab Zeiten, da hatten wir uns gewünscht, nie mit diesem »Blödsinn« angefangen zu haben…
Wahrscheinlich geht es Tubus, dem Hersteller des Pilger-Gepäckträgers, sehr ähnlich. Zwischen den hunderten von Entwicklungs- und Produktions-Aufträgen für E-Bike-Akku-Gepäckträgern fanden sich offensichtlich keine freien Ressourcen für so ein »lästiges« Liebhaber- und Imageprojekt. Wir müssen uns glücklich schätzen, dass uns Tubus überhaupt so ein Ding fertigt, zumal die zwei Serienmuster, die jüngst eingetrudelt sind, schlicht hervorragend sind. Heute – neun Monate nach Projektstart – haben wir erfahren, dass die Produktions-Werkzeuge fertig sind (hipp, hipp, hurra!) und wir mit den ersten 20 Trägern Ende August rechnen können.
Auch die Entscheidung, gleich in der Königsdisziplin anzutreten – also ein Fatbike für echte 4,8-Zoll-Reifen anzubieten – war rückblickend ziemlich kühn, wenn auch unabdingbar; inzwischen bietet quasi jeder MTB-Hersteller ein Fatbike-light mit 4,0-Zoll-Reifen an. Die Zurückhaltung für die 4,8-Zoll-Oschis ist verständlich, denn hierfür muss viel Optimierungsaufwand betrieben werden – ein Gang auf Messers Schneide. Nüchtern betrachtet stehen die enormen Raumforderungen dieser faszinierenden Reifengröße im elementaren Widerspruch zu den Notwendigkeiten und Anforderungen, die Rahmengeometrie, Antrieb und Schaltung vorgeben. Ohne den einen oder anderen Kompromiss geht da nichts. Dennoch sehen wir zukünftig noch etwas Spielraum in Sachen Reifenfreiheit für die ganz fetten Walzen. Allerdings braucht es dafür verlässliche Standards und Verfügbarkeit bei den Spezialkomponenten. Da ist bei dieser jungen Fahrradgattung noch viel im Fluss, also die Situation etwas unübersichtlich.
Ähnlich verhält es sich mit der Speedhub. Im Spätherbst 2013 ließ uns Rohloff wissen, dass es in absehbarer Zeit keine spezielle Speedhub fürs Fatbike geben würde. Also änderten wir ein letztes Mal unsere Zeichnungen von Exzenter- auf Standardgehäuse und trösteten uns damit, dass die Rahmen, durch den Wegfall der aufwändigen Velotraum-Exzenterlösung, spürbar günstiger werden würden. Dann geschah etwas Ungewöhnliches, zumindest wenn man Rohloff seit vielen Jahren »kennt«. Rohloff wurde umgestimmt. Der Druck aus dem amerikanischen Markt war so stark, dass sich Rohloff im Frühjahr »überzeugen« ließ, eine Fatbike-Nabe zu bauen. Eine Entwicklung, die wir, nach einer kurzen Schmollphase, sehr begrüßen. Schließlich ist der Pilger so konzipiert, dass die XL-Rohloff problemlos passt (Klemmbreite und Zugverlegung). Das Spannen der Kette lässt sich entweder mit einem Kettenspanner oder dem Exzentriker (teuer, edel und noch nicht von uns ausprobiert) bewerkstelligen. Ob wir bei der zweiten Rahmenserie – geplant für 2016 – einen Exzenter vorsehen, wird davon abhängen, wie sich die Nachfrage nach Rohloff-Pilgern entwickeln wird.
Erleichterung und Stolz
Nachdem wir nun so ziemlich jede Variante des Pilgers gebaut haben, können wir erleichtert und stolz durchatmen. Unser erstes Fat-Touren-Bike ist gelungen und fährt sich mit der passenden Velotraum-Gabel noch einen Tick runder und besser, als unser hochgelobter Prototyp. Auch der Konzept-Gedanke, also mittels Reifen, Gepäckträger- und Lichtanlagen-Optionen, den Pilger auf persönliche Vorlieben oder Einsatzbereiche abzustimmen, geht voll und ganz auf. Dank einer durchdachten Geometrie und Abstufung lässt sich mit nur drei Rahmengrößen ein sehr großer Bereich von möglichen Sitzpositionen und Körpergrößen abdecken. Hier haben wir stark von den Erfahrungen mit dem cross 7005 EX Komfort profitiert. Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein festes Schutzblech für die 4-Zoll-Reifen; für die 4,8-Zoll-Reifen wird es bei einem Spritzschutz am Unterrohr oder auf dem Gepäckträger bleiben.
»Wir fahren die Dinger selbst…«
Ein paar Eindrücke vom ersten Pilgerwochenende, einmal Überführungsfahrt von Weil der Stadt nach Simmozheim und Gäurandweg von Simmozheim nach Nagold.
Kommentare
Hallo,
ich wollte mir demnächst ein Pilger bestellen und nun habe ich gelesen, dass im September die Speedhub-XL Nabe kommen soll, ist das sicher? Dann würde ich bis September noch warten.
@ Stefan,
Rohloff gehört zwar mit zu den zuverlässigsten Lieferanten in der Branche, aber beim Liefertermin für die Speedhub XL steht noch kein zu hundert Prozent sicherer Liefertermin fest. Sicher ist nur, wir haben Naben bestellt und gehören sicherlich mit zu den Ersten, die aus der relativ kleinen Erstproduktion beliefert werden. Bis spätestens Ende Juli werden wir die Preis für den Rohloff-Pilger gemacht haben und ab diesem Zeitpunkt kann dann auch bestellt werden.
Frage mich ernsthaft, wie viele Fatbikes Rohloff denn verkaufen will? Von Surly (Kanada) hab ich Fatbikes auch schon mit der normal breiten Rohloff gesehen. (Fragt mich nicht wie das geht). Aber bei so einem Nieschenbike wird Aufwand betrieben und bei einer laaaange geforderten Rennlenker Lösung hat Rohloff selbst die Entwicklung eingestellt. Warte immernoch auf eine STI Lösung, und Alfine ist im Rennlenker Bereich mit der DI an der (heiligen) Rohloff was das Schalten angeht ganz easy vorbeigezogen…
Und von der Immer wieder im www kursierenden “Rohloff light” reden wir erst garnicht, obwohl beides sicher gehen würde wie warme Semmeln….
@ Peter
für welchen Bremstyp sollte denn die Rohloff-Rennlenker-STI-Schalt-Brems-Lösung ausgelegt werden ? Shimano-Hydraulik, SRAM-Hydaulik, Magura-Felge/-Scheibe, V-Brake-Seilzug, am besten alle ? Drehschaltgriffe für Ober- oder Unterlenker gibt es z.B. von Gilles Berthoud – GB Twister, Co-motion – drop-bar shifter, die getrennte Bedienelemente für Bremsen und Schaltung ermöglichen, aber man muß sich fürs Schalten am Ober- oder Unterlenker entscheiden. -Bei den Lenkerendschaltern hat man das früher auch akzeptiert. Die eierlegende Wollmilchsau wird’s hier wohl nicht geben.
@ Bremser
Da lieferst Du mir leider mein allerbestes Argument: Vielfalt! Tourenräder gibt es von 26 – 27,5 – 29 Zoll, jeder Art von Bremse und Lenkerform, warum diese Auswahl und Vielfalt nicht beim Schaltgriff?
Hier dein Bremsenproblem: ALLE hydraulischen: Eddy! ALLE Felgenbremsen: ohne Eddy!
Und “hat man das früher auch akzeptiert” ???
Mensch Kollege, “früher”!? Da ist man mit 3 Gang Torpedo glücklich gewesen und mit diesem Spirit hat sich Herr Rohloff sicher nicht für die Speedhub ans Zeichenbrett gesetzt!
Ich vermute, die Fatbikes werden nach und nach stark kommen – ähnlich den Mountainbikes. Da liegen m.E. Velotraum und Rohloff schon richtig im erwachenden Trend; auch wenn ich mir so ein Rad nie zulegen würde, weil viel zu speziell.
Das Thema Rohloff light habe ich auch schon abgehakt. Und eine Rohloffkette hätte ich auch gerne wieder, nachdem ich gesehen habe, wie lange die hält. Aber auch das ist leider nix mehr.
@3: Der Rahmenbauer Georg Blaschke hat eine Schaltbox für die Rohloff entwickelt, die es ermöglicht, normale Bremsschalthebel für Rennlenker zu verwenden. Siehe die letzten Beiträge in seinem Blog http://georgblaschkebikes.wordpress.com/ . Vielleicht gibt es bald eine Serienfertigung.
In der heutigen FAZ – Ressort »Motor und Technik« – schreibt Hans-Heinrich Pardey über das Erlebnis Fatbike, respektive Pilger fahren. Den Artikel gibt’s im Pressespiegel.
Aur der Schwalbe-Homepage sieht man, dass für den Jumbo Jim die Pannensicherheit bezgl. Durchstich nur 2 von 6 Punkten erhält. Das gibt mir doch arg zu denken, da die überrollte Fläche ja sehr gross ist und daher die Wahrscheinlichkeit, über etwas Scharfes/Spitzes zu rollen, entsprechend ansteigt. Ich erinnere mich noch gut an die vielen Pannen, die ich seinerzeit mit dem 60mm Big Apple hatte. Weiss irgendwer vielleicht etwas über die Pannensicherheit der Konkurrenzprodukte?
@ Berthold,
bei der Einschätzung der Pannensicherheit ist zu berücksichtigen, dass mit einem extrem niedrigen Luftdruck gefahren wird, sprich: der Reifen eher ausweicht, als durchstoßen wird. Ob Schwalbe dies schon so bei seinen Angaben berücksichtigt hat, bezweifle ich etwas. Was den Vergleich mit anderen Fatbike-Reifen betrifft, da werden wir wohl warten müssen, bis die ersten Vergleichtests gemacht werden, sofern sie denn je gemacht werden.
Vielen Dank für die schnelle Antwort! Aber das Argument mit dem Ausweichen des Reifens bei niedrigem Druch kam auch schon beim Big Apple, ich glaub sogar von Schwalbe selbst, und der Big Apple hatte nun wirklich andauernd Pannen, sogar vorn. Deshalb bin ich noch skeptisch, obwohl der Rohloff-Pilger mich schon sehr interressiert. Wäre mit dem Trickstuff Excentriker eingentlich ein Chainglider möglich?-das wäre dann doch eine runde Sache…
Hallo,
gibt es nun eigentlich schon “…nur noch ein festes Schutzblech für die 4-Zoll-Reifen”
die ihr dem Pilger spendieren wolltet???
@ Holger,
unseres Wissens gibt es da noch nichts, außer dem neuen FatBoard Set von SKS. Feste Bleche selbst herstellen zu lassen scheitert schlicht an den dafür notwendigen Stückzahlen respektive Werkzeugkosten.