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Radtour mit Hindernissen

Es hat alles gepasst. Die Schlussphase der Fußball-WM schaffte ein freies Zeitfenster und die Wettervorhersage lautete: Sommer pur.

Ideale Voraussetzungen für die erhoffte Woche Radurlaub. – Wenn da nur nicht dieser vermaledeite Pfosten mitten auf dem Radweg gestanden wäre.

Es war kurz vor Bad Wurzach. Nach einem etwas nervigen Reiseauftakt, mit Zugausfällen und Verspätungen und der besch… Radwege-Ausschilderung des Ulm-Bodensee-Radwegs, hatte ich kurz vor dem Tagesziel den Alltagsballast endlich weggestrampelt und das wohlige Gefühl unterwegs zu sein stellte sich ein. Bis der Versuch, die Radkarte während des Fahrens zu lesen, mir zum Verhängnis wurde.

Als ich aufblickte war da drei Meter vor mir der rot-weiße Pfosten. Einen Wimpernschlag später lag ich schon auf dem Asphalt. Fahrrad, Gepäck, Foto lagen wild verstreut um mich herum und ich dachte nur: Nein, nein, NEIIIIIIN…!

Immerhin konnte ich die Unglücksstelle, nachdem ich das Fahrrad notdürftig repariert hatte, aus eigener Kraft verlassen. Eine Woche zuvor hatte es dort schon mal einen Radfahrer erwischt, der allerdings den Unglücksort nur noch mittels Krankenwagen verlassen konnte … Um es kurz zu machen: Mit dem defekten Rad schleppte ich mich bis zum Biberacher Bahnhof und drei Stunden später stellte ich mein Rad in die Velotraum-Werkstatt.

Besser scheitern… zweiter Versuch

Außer einer schmerzhaften Prellung in der linken Hand und einer stark angeknacksten Psyche hatte der Sturz keine weiteren Spuren hinterlassen. Nach zwei Tagen »Genesung« und dem vergeblichen Versuch, mir »zuhause ein paar schöne Tage« zu machen, schwang ich mich in Freudenstadt auf mein repariertes Rad. Mit ein wenig pharmakologischer Unterstützung wollte ich nun über den Schwarzwald nach Lörrach und durchs Hegau nach Freiburg radeln und auf dem Weg noch zwei, drei Velotraum-Händler besuchen.

Freudenstadt – Neukirch

Ich hatte vor zum Teil den Schwarzwald-Radweg zu fahren, zumindest immer da, wo Verkehrsaufkommen und Landschaft dies nahe legen. Ein Auftakt nach Maß war dabei der Streckenabschnitt von Freudenstadt über Zwieselberg und durch das aus der Zeit gefallene Wolfachtal. Im Kinzigtal herrschte eine brütende Hitze von über 30 Grad und statt nun dem Radwanderweg zu folgen, entschied ich mich für eine »Abkürzung«, schließlich wollte und sollte ich heute noch mindestens bis Furtwangen kommen.

Am Anfang war die Strecke das Gutach-Tal hinauf auch noch ganz okay. Nach Niederwasser endete jedoch der Radweg und ich kämpfte mich die B33 nach Triberg hinauf. Es war zwar vergleichsweise wenig Verkehr, aber Hitze und Schwarzwald-Tourist-Kitsch mit Triberg als »Höhepunkt« machten die Strecke zum Abgewöhn-Trip. Die Belohnung folgte dann erst wieder weiter oben, als ich die Schwarzwaldhöhe erreichte hatte und sich die offene Südschwarzwald-Landschaft im Abendlicht präsentierte.

Nach einer erfrischenden Abfahrt ins wenig einladende Furtwangen, kletterte ich nochmals hinauf zur Schwarzwaldhochstraße, um schließlich bei Neukirch den wunderschön gelegenen Gasthof Ochsen mit guter Küche und himmlisch ruhiger Lage zu finden.

Neukirch – Lörrach – Follow Me

Schon morgens um neun Uhr war es selbst auf 1.000 Meter Höhe sehr warm und bis nach Titisee folgte ich, schon kräftig schwitzend, dem Schwarzwaldradweg. Der ist zwar manchmal schwer zu finden und führt über viele Schotterabschnitte, dafür gibt es keinen oder wenig Verkehr und wunderschöne Landschaft mit verträumten Ecken.

Titisee war wie erwartet proppenvoll und vor mir lag ein kleines Problem: Der nächste Streckenabschnitt war in der Karte als Mountainbike-Strecke markiert. Mit Rennlenker und 1,5-Zoll-Reifen war ich dafür nicht gerade ideal gerüstet. Also galt es die Schlüsselstelle, fünf Kilometer B317 über den Feldberg-Pass, zu ertragen. Ich würde es nie wieder machen! Aber als ich am grausligen Feldberg-Großparkplatz auf eine kleine autofreie Asphaltstraße Richtung Todtnauer Hütte und Wetterwarte abbog, war der Horror schnell vergessen. Den Floh, dem Sträßle auf den knapp 1.500 Meter hohen Nachbargipfel des Feldbergs zu folgen, setzten mir ein paar junge holländische Rennradler ins Ohr, die an mir vorbei brausten.

Der Lohn der Mühe folgte ein paar Höhenmeter weiter unten: Eine Traumpause mit kühlen Getränken, hausgemachtem Kuchen, Liegestuhl, Blick auf den Feldberg und dem melancholischen Bombast-Sound von Brendan Perrys »Ark« auf den Ohren (statt Touri-Geschnatter).

Mit Karacho – sagenhafte Abfahrt – sauste ich dann hinunter ins Wiesental, um dort in ein regelrechtes Hitzebad einzutauchen. Vielleicht doch keine so gute Idee die Tour bei Hitzerekorden mit Händlerbesuchen im Rheintal zu kombinieren… Bis Schopfheim ist der Wiesental-Radweg wirklich sehr schön, insbesondere dann, wenn er die alte Bahntrasse benutzt oder Wassertretbecken und andere Erfrischungsmöglichkeiten bereit hält.

Follow Me

Als ich schließlich bei Follow Me, unserem langjährigen und von Jahr zu Jahr erfolgreicheren Partner in Lörrach ankam, spürte ich, dass Sonne und Hitze mir an diesem Tag heftig zugesetzt hatten. Doch spätestens als Andi Wochner das Modell und die Pläne für ihren geplanten Neubau auf den Tisch legte, war die allgegenwärtige Hitze fast vergessen.

Ein schicker, 40 Meter langer und zweistöckiger Neubau soll das aus allen Nähten platzende bisherige Gebäude ersetzen und dem Unternehmen von Axel Winterhalter und Andi Wochner eine neue Perspektive geben. Eine besondere Herausforderung dabei: die Lage direkt neben den Bahngleisen und Stromleitungen, an denen bis zu 20.000 Volt Spannung anliegen! Für den gelernten Architekten Andi Wochner natürlich nicht nur eine rein unternehmerische Entscheidung, sondern auch ein Lebenstraum. Welch schöne Parallelen zur Velotraum-Vita…

Obwohl Follow Me ein eher untypischer Velotraum-Händler ist – da reicht schon ein Blick auf das Sortiment, verlassen Jahr für Jahr mehr Velotraum-Räder den »Store«. Eine Tendenz, die der Neubau sicherlich beflügeln wird. Spät in der Nacht – nach Pizza und gefühlten 20 Apfelschorle – endete der Erfahrungsaustausch mit Andi, und ich freute mich über so mutige Geschäftspartner und auf mein klimatisiertes Hotelzimmer.

Lörrach – Freiburg – »Pedal Plus«

»Am besten, Sie fahren über den Bergrücken«, so der Tipp eines freundlichen Lörrachers, als er mich Wege suchend an einer Kreuzung ansprach. Von wegen Rheinebene und so… Aber die Strecke nach Freiburg durch das Markgräflerland war trotz der vielen Aufs und Abs wunderschön und abwechslungsreich, lediglich die Hitze machte mir zu schaffen. Immerhin 80 Kilometer sammelte ich so auf den vielen Nebenwegen bis Freiburg, wo ich schon von der Pedal-Plus-Mannschaft erwartet wurde.

Wahrscheinlich ist in keiner Stadt der Welt die Fahrradladen-Dichte so hoch wie in Freiburg, der Freizeitsport- und Fahrradstadt Deutschlands. Sich hier zu behaupten, ist nicht einfach – auch nicht für so »alte Branchen-Hasen« wie dem Pedal-Plus-Trio. Dabei ist insbesondere Rudolf Beltinger ein ganz früher und großer Velotraum-Fan, dessen Begeisterung und Loyalität auch Krisenzeiten überstand. Inzwischen ist von Krise aber keine Spur mehr, auch die Freiburger gehören zu den immer erfolgreicheren Velotraum-Händlern. Mehr zu Pedal Plus bei nächster Gelegenheit.

Einen kurzen Abstecher machte ich dann noch zum Kugelblitz, dem ersten und neuen Kinderfahrradladen in Freiburg. Hier genießen Sophie Flückinger und ihr Partner Torsten Willmann zwar viel Zuspruch mit der Idee, hochwertige Kinderradlösungen anzubieten. Das Problem der hoch motivierten Neugründer ist jedoch, dass es (noch) kein vernünftiges Kinderrad-Angebot gibt…

Am frühen Samstagabend verließ ich dann etwas wehmütig Freiburg mittels ICE (mit ausgefallener Klimaanlage…) in Richtung Stuttgart, um im nicht minder warmen Stuttgart auf einem 50er-Geburtstag im Freundeskreis weiter zu schwitzen :-)

Erfolgreiche Resilienz

Sicher, diese Woche war völlig anders verlaufen als gedacht. Aber selbst in den drei Tagen bei ungewöhnlicher Hitze und suboptimaler Streckenwahl hat das Reisen mit dem Fahrrad bei mir wieder seine Resilienz-Qualitäten unter Beweis gestellt.

Ich kann mir auch vorstellen die Strecke nochmals zu fahren, auch wenn der Schwarzwaldradweg dem Vergleich mit meinen so geliebten Schweiz-Touren nicht standhalten kann. Das nächste Mal würde ich allerdings kürzere Etappen wählen, ausschließlich dem Schwarzwald-Radwanderweg folgen und ein Fahrrad mit dicken Semislicks, MTB-Lenker und Federgabel wählen.

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