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Roaming Pedals | №05 – Auf hoher See, Toleranzgrenzen und Familien-Overload

Inzwischen sind Johanna und Tanja am warmen indischen Ozean angelangt.

Bis zum chilligen Strandurlaub mit »Familien-Overlaod« gab es aber – wie konnte es anders sein – die eine oder andere Herausforderung zu meistern ;-)

№05 – Der lange Weg ans Meer

Von Tanja Willers und Johanna Hochedlinger

Die Wochen in Malawi und unsere ersten Etappen in Tanzania waren so unterschiedlich wie sie nur sein konnten. Während Malawi geprägt war von einem andauernden Vor-und-Zurück mit verschiedensten Verkehrsmitteln und, wie wir feststellen mussten, vergleichsweise wenig Radkilometern, zeichnete sich die anschließende Durchquerung Südtanzanias nach dem Schritt in eine neue Zeitzone durch überraschend lange Radtagen und viel Ruhe und Natur aus.

Untergrund-technisch bewegten wir uns in den letzten Wochen hauptsächlich relativ unspektakulär auf teilweise feinstem, chinesischem Asphalt. Ein einziges und knackig kurzes Offroad-Abenteuer sei allerdings erwähnt: Die steile und geröllige Golodi Road, den direkten Weg in das auf einem Hochplateau gelegene schottische Missionsdorf Livingstonia ließen wir uns nicht nehmen. Schon alleine, weil ein Umweg 70 Extrakilometer bedeutet hätte, uns alle Einheimischen an der entsprechenden Weggabelung davon abrieten und uns prophezeiten, sollten wir es auf eigene Faust versuchen, würden wir in spätestens einer halben Stunde gescheitert und gebrochen zurückkehren. »Na geh bitte!« dachten wir uns und ließen die Pinion schnurren. Und die beiden mit »See you later« verabschiedeten Wahnsinnigen waren nie wieder gesehen …

Im Großen und Ganzen barg die Reise durch Malawi jedoch Herausforderungen ganz anderer Natur: Wir gerieten an unsere persönlichen Toleranzgrenzen was menschliche Nähe, Lautstärke und vereinnahmende und fordernde Neugier anbelange. Wenn wir mal nicht von schreienden Kindern und Erwachsenen verfolgt wurden, wurden wir von plötzlichem Starkregen und anhaltend tropisch feuchter Hitze auf Trapp gehalten.
Wir erbleichten beim Anblick der schieren Mengen an Waren, die hierzulande auf ein einzelnes Fahrrad gepackt wurden und erfreuten uns an bunt lackierten Fahrradtaxis mit einer luxuriösen Sitzbank anstelle des Gepäckträgers und höchst ausdauernden Chauffeuren.

Nachdem sich Wildcampen in diesem unglaublich dicht besiedelten Land als illusorisch erwies, entschieden wir uns immer öfter für kleine lokale Unterkünfte, in deren spartanische Zimmerchen wir uns samt Rädern kunstvoll hineinschlichteten. Die Türschlösser waren so lala und die Nachbarschaft auch meist mit rauchenden Kohlegrills und plärrenden Boxen statt Straßenbeleuchtung gesegnet, aber wir fühlten uns mmer gut aufgehoben – sogar als wir erkennen mussten, dass wir wohl im örtlichen Stundenhotel gelandet waren – nicht zuletzt deshalb, weil wir mit unserer gewitzten Absperrtechnik nahezu sicher sein konnten, dass es kein radbegeisterter Eindringling jemals mit unseren geliebten aber schwer beladenen Findern durch Tür oder Fenster geschafft hätte.

Nachdem wir im südlichen Hochland erfolgreich die 60 Jahre alten Spuren von Tanjas Urgroßeltern freigelegt hatten entschieden wir uns, unsere este Wildcard zu spielen und per Fähre die Hotspots des jüngsten Choleraausbruchs hinter uns zu lassen. Die nächste Nervenzerreißprobe folgte auf den Fuß, als die Räder (und wir) mangels Pier von zwei übermenschlich starken »Gepäckträgern« auf ein kleines Transportboot und von dort über die Reling der Ilala (Baujahr 1949) gewuchtet wurden. Die Finder – nun endgültig aus ihrem natürlichen Habitat gerissen – gerieten in Positionen, die man sonst nur von der Red Bull Rampage kennt, verhielten sich jedoch geduldig ruhig und durften schlussendlich im Bug des Schiffs unter den wachsamen Augen des freundlichen Kapitäns zwei Tage lang die Kette baumeln lassen, während wir längs des riesigen Malawisees, mal hier anlegend, mal dort, dahin schipperten.

Im Norden des Landes angekommen machten wir noch einige Tage lang Hochland und Seeufer unsicher, vergewisserten uns per Schnelltest, dass Johannas Fieberschub nicht malariabedingt war, und schmiedeten Pläne für unsere relativ untypische Einreise nach Tanzania.

Und tatsächlich: Gabriel, der Kapitän des Zuckertransporters »Sweet Africa«, erklärte sich bereit uns in einer neunstündigen, stürmisch-feuchten und gegen Ende stockfinsteren Seeüberquerung nach Mbamba Bay, den Startpunkt unserer ersten Tanzania-Durchquerung, mitzunehmen. Die latente Bike-über-Bord-Angst erwies sich als unbegründet, das hoch spritzende Süßwasser konnte den tapferen Drahteseln nichts anhaben und so starteten wir nach einem interessanten Gespräch zum Thema Korruption mit dem örtlichen Grenzbeamten motiviert in unseren 10 tägigen »Bergab«-Trip ans Meer, auf dem wir trotzdem noch knapp 10.000 Höhenmeter zu bewältigen hatten. Wir rollten durch wolkenzerzaustes Hochland, durch Starbucks Kaffeplantagen, Kokospalmenwälder und Reisfelder und kamen an jedem einzelnen Abend in der friedlichen Idylle der Natur zur Ruhe. Wir hatten den Regen und die schreienden Menschenmassen hinter uns gelassen und konnten wieder in Ruhe campen und uns sogar beim Radeln unterhalten – ein Luxus, den man erst zu schätzen weiß, wenn er einem wochenlang verwehrt wurde.

Nach 10 Tagen stießen wir schließlich zum ersten Mal seit Swakopmund in Namibia an die Meeresküste Ostafrikas und so kalt der Atlantik vor vier Monaten unsere Füße umspülte, so unfassbar warm empfingen uns die Fluten des Indischen Ozeans.

Die einige Tage darauf folgende und mit einem Downhill vergleichbare Tagesetappe war technisch anspruchsvoll, gespickt mit Engstellen, akustischen Ablenkungsmanövern, spontan auftauchenden Hindernissen und gänzlich ohne die rettende Chicken Line. Nein wir reden nicht von einem unseren Mountainbike-Abenteuer, sondern von der 30km langen Einstimmung auf den Moloch Dar Es Salaam. Der schnelle Antritt dank Pinion war mal wieder Gold wert um sich unauffällig in den verrückten Verkehrsflow einordnen und selbstbewußt aus plötzlichen Gefahrensituationen stehlen zu können, sodass wir unbeschadet am Ende dieser unerwarteten Achterbahnfahrt im Auge des Sturms – einem Großstadtsonntag – landeten.
Das Learning des darauffolgenden Tages – Fischmarkt frühmorgens mit Fahrrad = eher nicht so praktisch – katapultierte uns direkt auf den High-Speed-Katamaran nach Zanzibar, wo wir dank einer einwandfrei arbeitenden Menschenkette quasi gleichzeitig mit einem nagelneuen Pinion Lockring-Werkzeug, zwei Getriebeölwechselkits, einem Entlüftungskit, unserem lang ersehnten Zelt und nebenbei noch Tanjas Mama und Schwester ankamen :)

Neben stundenlanger Bike- und Köperpflege, langen Gesprächen, Spieleabende, Kite-Surfe-Sessions und Strandspaziergängen, war in den letzten Wochen auch Zeit für ein Wiedersehen mit lieb gewonnenen Travelbuddies und Lukas (zu finden auf Instagram), einem in der Gegenrichtung reisenden und ganz und gar überzeugten Veloträumer, der uns erzählte, dass er nun nach einigen Platten und einem eingehenden Setupcheck auf Johnny Watts Bereifung umsteigen wird. Wir unterstützen das voll und ganz und wünschen ihm damit jene Offroad-Freiheit, die unsere vergangenen Monate im südlichen Afrika so aufgewertet hat.

Unsere Hände halten sich zwar zur Zeit hauptsächlich an Kokosnüssen und Kitebars fest – zur Abwechslung mal mehr Zug als Stütz – die kleinen feinen Radtattoos, die uns dabei entgegen blitzen, lassen uns aber nicht vergessen, dass wir in ein paar Tagen schon wieder unterwegs sein werden. Wir bleiben nur noch ganz kurz im Barfußmodus, sammeln Kräfte und Informationen und bereiten uns auf den zweiten Teil unserer langen Heimreise vor.

Roaming Pedals auf:

  1. auf Wordpress
  2. auf Instagram
  3. im ORF.at

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