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Sattelstützen – starr oder gefedert?

Das Eintreffen der neuen Thudbuster-G4-Sattelstütze von »Cane-Creek« ist ein willkommener Anlass, sich mal wieder mit diesem Thema zu befassen.

Dabei haben wir uns nicht zum Ziel gesetzt, die vermeintlich beste Stütze zu postulieren. Vielmehr wollen wir Tipps geben, zu welchen Vorlieben und Anforderungen die jeweilige Stütze passen könnte.

Immer noch haftet den gefederten Sattelstützen der Ruf einer Verlegenheitslösung an. Doch es gibt viele gute Gründe bei einem vielseitig einsetzbaren Fahrrad auf einen gefederten Hinterbau zu verzichten. Dazu gehören: Robustheit, Gewicht, Haltbarkeit, Wartungsarmut, Zuladung, Fahreigenschaften usw. Mit einer gefederten Sattelstütze – quasi dem Schwingsitz fürs Fahrrad – kann der Federungskomfort spürbar verbessert werden; im Idealfall wird die Stoßenergie um 50 Prozent reduziert. Daher sind gefederte Stützen keine Verlegenheitslösung, sondern der Goldstandard, wenn ein gefederter Hinterbau nicht in Frage kommt.

Starr oder gefedert und wenn ja, wie viel Federung?

Bei Fahrrädern mit breiten Reifen wie dem Finder stellt sich die berechtigte Frage: Braucht es eine gefederte Sattelstütze oder reicht der Komfortgewinn durch die breite Bereifung?
Eine Fragestellung die leider nicht mit einem eindeutigen Ja-oder-nein zu beantworten ist, sondern nur mit einem vielschichtigen Sowohl-als-auch.

Seit über 20 Jahren stehen dem komfortsuchenden Radfahrer eine Auswahl von guten und zuverlässigen Stützen zur Verfügung – mit zunehmender Tendenz. Bei den Parallelogramm-Stützen ist die »Thudbuster« von »Cane Creek« inzwischen ein Klassiker, die bei Velotraum schon sehr lange im Einsatz ist. Die auf das gleiche Prinzip vertrauende »by.Schulz« ist neueren Datums und setzt eigene konstruktive Akzente.

by.Schulz G.2 ST

Bereits vor einem Jahr haben wir die by.Schulz-G.2 ST mit kurzem Federweg (30 statt 50 Millimeter) erhalten, um sie in der Alltagshektik auch gleich wieder aus den Augen zu verlieren … Immerhin ist sie uns nun wieder in den Sinn gekommen. Hinsichtlich des Federwegs sind die G.2 von Schulz und die Cane-Creek-G4 eigentlich nicht vergleichbar, aber für die Fragestellung (Federung ja oder nein …) ist die G.2 eine Idealbesetzung.

Bereits bei der Montage des Sattels kann die G.2 begeistern: Die clevere Sattelklemmung erlaubt einen schnellen Sattelwechsel, und die richtige Sattelneigung lässt sich in sehr feinen Rasterstufen einstellen. In der Fahrpraxis ist die Stütze – also der Komfortgewinn – deutlich spürbar, auch wenn die G.2 ST eher zu den straffen Stützen gehört. Im Vergleich zu einer älteren Cane-Creek ST arbeitet die by.Schulz sensibler und vermittelt – trotz vergleichbaren Federwegs – etwas mehr Komfort. Dafür ist die Wippneigung beim Pedalieren etwas ausgeprägter als bei der Cane-Creek-ST – freilich nie wirklich störend. Die G.2 ST kann zwar keine groben Stöße wegbügeln, ist aber weitaus mehr als ein »Kantenbrecher«.

Wir würden die G.2 daher für sportliche Fahrer mit höherer Trittfrequenz und flacherer Sitzpostion empfehlen, die sich möglichst wenig Wippen und dennoch einen spürbaren Federungskomfort wünschen. Hier kann die G2 wirklich überzeugen. Ebenfalls überzeugend: die maximale Belastbarkeit bis 150 Kilogramm Fahrergewicht, die vielen verfügbaren Durchmesser und Längen sowie die erstklassige Verarbeitung. Da wird sich das Velotraum-Portfolio wohl oder übel etwas erweitern, denn bisher hatten wir nur die G.2-LT (long travel) im Programm ;-)
Gewicht: G.2 ST, 31,6×350mm, Standard-Federelement 661 Gramm, Preis ab 179,00 €.

Cane Creek Thudbuster LT G4

An den Federsattelstützen von »Cane Creek« scheiden sich schon lange die Geister, insbesondere an der Long-Travel-Variante. Entgegen dieser weit verbreiteten Ablehnung sind wir schon sehr lange große Fans dieser Parallelogramm-Stützen und haben sogar unser Rahmendesign auf die große Einbaulänge abgestimmt. Mit der »G4« ist nun die neueste Generation am Start. Und auch an ihr werden sich wieder die (ästhetischen) Geister scheiden, da allein schon das Vorne-und-hinten Rätsel aufgibt; wie gut, dass da »front« aufgedruckt ist ;-)

Dafür verspricht Cane Creek bei der G4 einen werkzeuglosen Elastomerwechsel, was allerdings etwas Übung und Nachdruck erfordert. Der Einbau und die Justierung des Sattels ist etwas einfacher als beim Vorgängermodell (hier ein Video dazu), allerdings bei weitem nicht so gut wie gelöst wie bei der by.Schulz. Standardmäßig werden die Stützen mit einer mittleren Elastomerhärte (65 bis 90 Kilogramm) ausgeliefert; eine Abstimmung auf härtere oder weichere Elastomere kostet leider extra.

Cane Creek gibt bei der G4-long-travel opulente 90 Millimeter Federweg an. Das verspricht unglaublichen Komfort, aber lässt auch starke Wippbewegungen beim Pedalieren befürchten. Die Fahrpraxis zeigt einmal mehr, dass sich zwischen Theorie und Praxis mitunter große Unterschiede ausmachen lassen: Die G4 ist im positiven Sinne unspektakulär und arbeitet ungemein satt und angenehm.

Obwohl der Testfahrer deutlich über den empfohlenen 90 Kilogramm liegt ;-(, war die Stütze nicht zu weich bzw. neigte nur zu einem leichten Wippen. Offensichtlich bewirkt das neue Elastomerdesign eine angenehmere Federungscharakteristik als die bisherigen, zylindrischen »Gummis«. Sicher, nach 90 Millimeter Federweg fühlt sich die G4 nicht an, verfügt aber über spürbar mehr Komfortreserven als die by.Schulz. Daher ist die Cane Creek immer dann die richtige Wahl, wenn ein Maximum an praxisgerechtem Federungskomfort gewünscht wird. Ganzjahresfahrer werden jedoch nicht umhin kommen, in der kalten Jahreszeit die Elastomere zu tauschen, denn je tiefer die Temperaturen, desto härter werden die »Flummis«. Hinsichtlich der Verarbeitung rangiert auch die Cane Creek auf höchsten Niveau und, die verfügbaren Durchmesser und Längen sind ausreichend praxisgerecht. Das maximale Fahrergewicht beträgt allerdings »nur« 115 Kilogramm.
Gewicht: Cane Creek Thuduster G4 LT, 27,2×350 mm 716 Gramm, Preis 249,00 €.

Ritchey V2 Comp

Und wie »schlägt« sich nun die starre Stütze? – Wenn man nach Jahren erstmals wieder »starr« fährt, hat man im ersten Moment das Gefühl, auf einem anderen Fahrrad zu sitzen. Der Untergrund und auch die Reaktion des Fahrrads sind deutlich präsenter, mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen.

Auf der täglichen Pendlerstrecke ist der Komfortverlust recht gut zu verschmerzen – da ist man ja auch mit jedem Schlagloch per du – und man erfreut sich der kernigen Straffheit. Sobald es aber in Richtung Schwarzwald geht und die Wege schlechter werden und auch mal ein holpriger Pfad dabei ist, verwandelt sich das Kernige in unangenehme Härte, und man wünscht sich sehnlichst die gefederte Sattelstütze zurück im Rad ;-)
Gewicht: Ritchey V2 Comp, 31,6 × 330 mm zirka 286 Gramm, Preis 49,00 €.

Resümee

Starr oder gefedert? – Wie zu erwarten lässt sich diese Fragestellung nicht mit ja oder nein beantworten. Bei dieser Entscheidung spielen der Einsatzbereich und die persönlichen Vorstellungen vielfältig ineinander. Unstrittig ist: Gefederte Stützen steigern spürbar den Fahrkomfort, auch bei einem Fahrrad mit sehr breiter B-Plus-Bereifung. Dennoch ist es nicht sinnvoll oder notwendig, jedes Fahrrad per se mit einer gefederten Stütze auszustatten. Denn neben höherem Preis und Gewicht geht auch etwas Gefühl fürs Fahrrad verloren. Und nicht in allen Anwendungsbereichen entfalten die gefederten Stützen ihre Vorzüge. Beim Fahrradneukauf kann es daher durchaus sinnvoll sein, erstmal mit einer starren Stütze zu starten, und dann gezielt den passenden Komfortumfang respektive Federweg nachzurüsten.

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