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Shimano EP8 – Nach Fehlstart aufs »Siegerpodest«

Mit viel Tamtam hat Shimano im August sein neuestes Antriebsflaggschiff angekündigt und das Produkt sogleich wieder vom Markt nehmen müssen ….

Was für ein Pech für Shimano, und hätten die Japaner mal auf uns gehört … Angesichts der chaotischen Corona-Saison hatten wir vorgeschlagen, die Produkteinführung auf den Jahresbeginn 2021 zu verlegen ;-)

Zur Ehrenrettung muss man aber betonen, dass Shimano diesen Ausrutscher souverän und professionell handhabte, denn nur drei Monate später trafen die neu überarbeiteten EP8-Systeme ein.

Sechs Monate mit einem Prototyp unterwegs

Bereits sechs Monate zuvor hatten wir einen fahrfertigen Prototypen des EP8-Antriebs aus Japan erhalten, allerdings mit der Aufschrift: »Prototyp, do not use for riding« – Na Super …

Inoffiziell war aber zu erfahren, dass man den Prototypen durchaus fahren könne. Für den Chronisten war das eine von vielen Motivationen, um nach einem schweren Sturz möglichst schnell wieder in den Sattel zu kommen.

Bis dahin durfte sich das Velotraum-Team mit dem EP8 vergnügen, und dessen Rückmeldungen waren durch die Bank vielversprechend. Selbst unsere eingeschworene Naben-Motor-Fraktion war vom EP8 angetan, zumindest wenn man von ein paar Mucken absieht, die aber allein dem Prototypen-Status geschuldet waren.

Da der EP8 in Zukunft eine Schlüsselposition in unserem Pedelec-Portfolio einnehmen soll, war das schon mal ein guter und beruhigender Auftakt. Denn um ehrlich zu sein, waren wir schon etwas skeptisch, ob die vollmundigen Shimano-Versprechungen – leichter, kleiner, stärker, leiser, effizienter, individueller – tatsächlich zutreffen würden. Und wenn ja – sind dafür geschätzte Qualitäten und Eigenschaften auf der Strecke geblieben?

Steps EP8 im Detail

Als Versuchsrad diente ein bewährter »FD2E«, dessen Eigenschaften sowohl dem Team als auch Chronisten bestens vertraut sind. Insgesamt haben wir etwas über 3.000 Kilometer zurückgelegt, bis bei unserem Prototypen ein Ermüdungsbruch der vorderen Motoraufhängung aufgetreten ist. Diese Schwachstelle war auch für den eingangs erwähnten, weltweiten Rückruf verantwortlich. Sehr ärgerlich im ersten Moment, denn bis dahin hatte der Prototyp anstandslos funktioniert, und wir hatten uns so aneinander gewöhnt ;-)

Also kam vorübergehend wieder der altgediente 8000er ins Rad – ein zwar unfreiwilliger Umstieg, aber dafür mit großem Erkenntnisgewinn. Doch nun zu den EP8-Eigenschaften im Detail:

Leichter, kleiner und schöner

Mit 2.550 Gramm gehört der EP8 zu den leichtesten Antrieben. Ein Aspekt, der für uns von nachgeordneter Bedeutung ist, denn 300 Gramm hin oder her sind auch bei unseren relativ leichten Pedelecs nicht entscheidend. Wenn man allerdings den Motor alleine betrachtet, ist eine Gewichtsreduktion von 2.880 (Steps 8000) auf 2.550 Gramm eine beachtliche Ingenieursleistung, zumal der Motor auch noch mehr Leistung liefert.

Sehr gut gefällt uns die deutlich verringerte Baugröße des EP8, da sie bestens mit dem »Fahrrad-Look« unserer Pedelecs harmoniert, und den E-Finder noch einen Ticken eleganter macht. Einmal mehr sehen wir uns darin bestärkt, den Akku »nur« teilweise in den Rahmen zu integrieren, um so leichter, stabiler und filigraner konstruieren zu können.

Stärker

Ebenfalls beachtlich ist die gesteigerte Motorleistung von 70 auf 85 Nm Drehmoment, die natürlich auch dem Wettrüsten mit Bosch, Brose und Konsorten geschuldet ist. Für die meisten Velotraum-Fahrer wird dieser Leistungszuwachs nicht kaufentscheidend sein, da sich Alltags- und Tourenfahrer überwiegend im Eco-Modus bewegen. Freilich gibt es auch im Alltag und auf Reisen genügend Situationen, bei denen die Reserven des EP8 willkommen sind. Zum Beispiel, wenn man sich abseits der klassischen Radrouten bewegt und »Überraschungen« bewältigen muss, auf der Pendelstrecke die kürzere Direktissima bevorzugt oder einen Steigungsabschnitt auf der Straße im Höchsttempo hinter sich bringen möchte. In all diesen Situationen war uns die hohe Maximal-Leistung des EP8 willkommen, und es war auch ein Unterschied zum E8000 spürbar. Auf technisch anspruchsvollen Strecken raten wir allerdings zur Umsicht, sonst befördern einen die 85 Nm ins Unterholz.

Schwere Fahrer (ab 100 kg) haben auch beim EP8 das »Problem«, dass sie im Trail- und Boost-Modus schnell die maximale Unterstützung abrufen. Das ist einfach dem generell höheren Eingangsdrehmoments (Druck auf dem Pedal) von schweren Fahrern geschuldet.

Effizienter

Manchmal ist ein etwas altersschwacher Akku von Vorteil, denn er macht auch feinere Unterschiede sichtbar. Und es scheint tatsächlich so zu sein, dass der EP8 effizienter arbeitet, sprich mehr Reichweite ermöglicht. Laut den Shimano-Unterlagen bewegt sich der Reichweitengewinn, je nach Unterstüzungsmodus, zwischen zehn und 20 Prozent. Diese Größenordnung können wir durchaus bestätigen und macht eventuell einen größeren Akku überflüssig – Zumal der optional wählbare 640Wh-Akku optisch ein ziemlicher Brocken ist.

Leiser

Für viele Kunden, speziell für Radfahrer die aufs Pedelec umsteigen, ist ein deutlich vernehmbares Motorengeräusch ein Ausschlusskriterium. Und speziell in dieser Hinsicht waren wir besonders gespannt: Weniger Gewicht, mehr Leistung und leiser … Um ehrlich zu sein konnten wir uns nicht vorstellen, wie Shimano diese Quadratur des Kreises hinbekommen wollte. Beim großen deutschen Mitbewerber hat das nicht funktioniert; deren vergleichbare Motoren sind lauter geworden …

Doch tatsächlich ist der EP8 leiser als der akustisch moderate E8000. Der Unterschied ist zwar nicht sehr groß, aber deutlich wahrnehmbar. Insbesondere das gelegentliche »Aufjaulen« beim Zurückschalten ist völlig verschwunden. Im Eco-Modus ist die Unterstützung so leise, dass man sie bei einer Probefahrt im urbanen Umfeld nicht mehr wahrnimmt. Etwas brummiger wird die Geräuschkulisse im Trail- und Boost-Modus, aber wenn die zum Einsatz kommen, hat man meist einen anderen Fokus als die Umgebungsgeräusche. Der Idealzustand (Nabenmotor-Niveau) wurde nicht erreicht, doch selbst die Neodrives-Fahrer im Velotraum-Team meinten unisono: der EP8 ist nun eine echte Alternative und drei Veloträumer haben bereits ihre E-Finder-Wünsche angemeldet ;-)

Drei Screenshots der E-Tube-App

Individueller

Natürlich gibt es auch eine neue, passende E-Tube-App. Speziell für den EP8 gibt es umfassende Möglichkeiten, die Motor-Unterstützung auf die persönlichen Vorlieben abzustimmen. Dabei kann jede der drei Unterstützungsstufen (Eco, Trail, Boost) individuell konfiguriert werden. Allerdings braucht es für diesen Abstimmungsprozess ein wenig Zeit und Geduld. Dafür sind die zwei hinterlegbare Profile sehr hilfreich. Sobald das optimale Setup gefunden ist, können die Profile anderweitig verwendet werden. So kann man z. B. das Profil 1 auf den Pendeleinsatz abstimmen und das Profil 2 für den Fahrspaß in der Freizeit. Oder Profil 1 ist für eine maximale Reichweite ausgelegt und Profil 2 für eine höhere Unterstützung, u.s.w.

Die Bluetooth-Verbindung zwischen Smartphone und System klappt reibungslos, und Bedienungsfreundlichkeit und Verständlichkeit der App wurden ebenfalls verbessert – mit noch Luft nach oben. Wem sich angesichts der dort gebotenen Möglichkeit die Nackenhaare aufstellen – keine Sorge. Die Personalisierung ist ein »Kann« und kein »Muss«. Auch mit den voreingestellten Shimano- bzw. Velotraum-Parametern lässt sich prima klar kommen.

Fahrgefühl

Kommen wir zum vielleicht wesentlichsten Punkt: dem Fahrgefühl. Vom E8000 kommend würden wir sagen: sehr vertraut. Alles, was wir am E8000 schätzen, kann auch der EP8. Besonders wichtig, die schon legendäre Zuverlässigkeit des E8000 scheint auch der EP8 geerbt zu haben, denn unser Prototyp ist bis zum Bruch der Aufhängung über 3.000 Kilometer gelaufen und zwar Plug and Play.

Generell lässt sich sagen, dass der EP8 alles ein wenig besser kann als der E8000. So setzt die Motorunterstützung noch ein wenig harmonischer ein, um sich ab 25 km/h fast unmerkbar zu verabschieden. Auch die Abschaltgrenze von 25 km/h lässt sich noch eine Idee leichter überwinden, schließlich attestiert Shimano dem EP8 einen um 36 Prozent geringeren Tretwiderstand als dem E8000. Noch eindrucksvoller ist dieser Wert: Der Tretwiderstand des EP8 soll nur 14 Prozent über einer motorlosen XTR-Gruppe liegen.

Der von uns gefühlte Unterschied fällt geringer aus als es die Zahlen suggerieren, freilich die 25 km/h Grenze lässt man spielerisch hinter sich – auch mit müden Beinen. Insgesamt fährt sich der EP8 sehr natürlich und harmonisch, so dass noch mehr ein Fahrrad-fahren-Gefühl aufkommt – Und das ist die höchste Auszeichnung, die wir für ein Pedelec-System zu vergeben haben ;-)

Ohne Fleiß kein Preis – Der EP8 ist kein Blender, also ein System, das den unbedarften Erstkäufer selbst im Eco-Modus nach vorne katapultiert. Um das Potential des EP8 optimal zu nutzen, braucht es eine Gewöhnungsphase und die Bereitschaft einen gewissen Abstimmungsaufwand zu treiben. Für eine möglichst harmonische Interaktion zwischen Bein- und Motorkraft muss man ein Gefühl entwickeln, und das braucht 100 bis 200 Kilometer. Die E-Tube-App und die Bereitschaft, sich ein wenig mit der Materie auseinanderzusetzen, sind also sehr empfehlenswert. Der Lohn für die Mühe: eingebauter Rückenwind mit Fahrrad-Feeling ;-)

Fazit

Haben Sie sich erst vor kurzem ein Pedelec mit Steps-E8000 gekauft und fragen sich nun, ob das eine gute Entscheidung war? – Der Chronist »durfte« ja dreimal zwischen EP8 und E8000 wechseln, und mit jedem Umstieg wuchs die Gewissheit, dass es sich mit dem E8000 weiterhin prima leben lässt. Trotz allen Fortschritts ist der EP8 keine Revolution, sondern »nur« eine rundherum gelungene, evolutionäre Weiterentwicklung. Also liebe E8000-Fahrer, Ihr könnt Euch innerlich zurücklehnen ;-)

Bei einem Neukauf sieht es natürlich anders aus. Hier wird ein Velotraum-Kunde sich immer für das momentane Optimum entscheiden, zumal der EP8 unwesentlich teurer ist als der E8000. Aus Herstellersicht ist es daher naheliegend, nur noch den EP8 anzubieten. Wir bei Velotraum gehen dabei noch einen Schritt weiter, denn bei uns wird der EP8 auch den E7000 ersetzen, trotz des höheren Preisunterschieds von 300,00 EUR. In der Relation zum Gesamtpreis ist die Preisdifferenz zu gering, und das Gros unserer Kunden würde sowieso den EP8 wählen. Bei einem individuell gefertigten Pedelec will schließlich niemand einen Kompromiss bei den wichtigsten Komponenten eingehen.

Ausgesprochen lobenswert finden wir, dass Shimano die Einbaustandards für den Akku und den Motor beibehalten hat und auch für die nächste Generation beibehalten wird. Das schafft für Kunden und Hersteller mehr Planungssicherheit, Wertbeständigkeit und Nachhaltigkeit. Wichtige Attribute, die beim Pedelec momentan noch zu selten thematisiert werden. Einen eingebauten Diebstahlschutz mittels GPS-Ortung kann der EP8 allerdings noch nicht vorweisen, ebensowenig wie eine Lademöglichkeit fürs Handy, da gibt es also noch was zu tun ;-)

Obwohl der EP8 die Spitzenstellung im Shimano-Angebot einnimmt, ist der Antrieb nicht allein für den High-End-Sporteinsatz konzipiert. Erstmals empfiehlt Shimano ein Spitzenprodukt dezidiert für eine breite und somit indifferente Nutzung. Nicht zuletzt deshalb passen EP8 und E-Finder so hervorragend zusammen – was will man mehr!

Schlussbemerkung – Trotz des verstolperten Starts ist Shimano mit dem EP8 ein erstklassiger E-Antrieb gelungen, der in der Summe seiner Eigenschaften der vielleicht beste E-Antrieb am Markt ist – zumindest für unsere Maßstäbe. Das ambitionierte Lastenheft wurden in allen Belangen erfüllt, allein dafür: Chapeau.

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