Ja, ja, wir wissen drum – Eigenlob stinkt, aber noch ist das Medium Internet frei von olfaktorischen Zumutungen ;-)
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Aber auf diese Fahrradlösung sind wir mächtig stolz, auch wenn vielleicht der eine oder andere zunächst verständnislos den Kopf schütteln wird.
Zu Velotraum kommen sehr häufig Kunden, die man an anderer Stelle wegschickt, da man einfach nichts Passendes für sie im Angebot hat, auch wenn sich im Geschäft aberhunderte Räder türmen. So auch bei Yannik aus dem Stuttgarter Raum, der auf der Suche nach einem »Generalisten« mit Rennlenker war.
Durch die Angaben bei der Velotraum-Terminbuchung wussten wir bereits, dass Yannik mit 197 Zentimeter Größe und einem Gewicht von 115 Kilogramm auch für uns eine Herausforderung darstellen würde, insbesondere in der Speedster-Welt, um die es gehen sollte. Aber gut, solche »Formate« haben wir schon erfolgreich auf dem Speedster in XXL untergebracht; letztendlich sind die Arm- und Beinlänge entscheidender als die Körpergröße.
Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt – Im Rahmen der Fahrradanpassung mittels der Velotraum-Messmaschine wanderte nicht nur der Sattel höher und höher, sondern auch der Lenker immer weiter nach vorne. Letztendlich endete die Reise bei einer Sitzhöhe von knapp 90 Zentimeter (Mitte Tretlager bis Oberkante Sattel) und einer Sitzlänge (Mitte Sattelstütze bis Mitte Lenker) von mächtigen 76,5 Zentimeter. Damit waren wir weit jenseits dessen, was sich mit einem Speedster-Rahmen realisieren lässt. Nun war guter Rad teuer. Yannik hatte die Probefahrt auf unserem XXL-Ausstellungsspeedster schon sehr gut gefallen, und wir waren quasi seine letzte Hoffnung.
Der einzige Rahmen, mit dem wir diese Maße gut umsetzten könnten, ist der VT900 in der Größe XXXL. Eigentlich die perfekte Wahl, aber der Hinterbau des VT900 ist nicht für den schmaleren Rennrad-Q-Faktor der GRX-Gruppe ausgelegt. Da war nun guter Rat teuer.
Die rettende und unorthodoxe Idee hatte dann Werkstattleiter Moritz Pfrengle. Moritz ist unter anderm darauf spezialisiert, in den immer stärker abgeschotteten Shimano-Produktwelten (MTB, Road, Gravel, Trekking), Kombinationsmöglichkeiten zu finden, von den selbst Shimano keinen Schimmer hat. Ein Beispiel dafür ist unser inzwischen bewährtes und sehr beliebtes, wie auch kopiertes, GRX-Tuning, bei der wir den Übersetzungsbereich von 470 auf 570 Prozent vergrößern. Jetzt war die Lösung, eine dreifach T551-Trekkingrad-Kurbel so zu modifizieren, dass diese zum VT900 und den Anforderungen der GRX-Gruppe passt. Vereinfacht ausgedrückt, wanderten dafür die beiden äußeren Kettenblätter eine Position nach innen und das Ganze harmoniert nun verblüffend gut mit dem GRX-Umwerfer. Einziger Wermutstropfen: Die Optik der Kurbel leidet etwas.
Resümee
Die bereits erwähnte Spezialisierung und Fragmentierung der Fahrradkomponenten ist ein zweischneidiges Schwert. Der Preis für kleinste Optimierungen ist mitunter hoch, sowohl im pekuniären wie im übertragenen Sinne. Beispiel gefällig: Shimano hat allein drei unterschiedliche XT-Schaltwerke für 12-fach (ohne DI2), je nach Kassetten- und Kettenblattkombination. Solange man sich in dem von Shimano oder einem anderen Hersteller gedachten Korridor bewegt, ist freilich alles gut. Wer sich aber mit seinen Vorstellungen vom Fahrrad und dessen Nutzung irgendwo dazwischen bewegt, dem zeigen die Großen wie Shimano, SRAM usw. inzwischen die kalte Schulter. Und nicht immer sind Pinion und Rohloff eine Alternative. Um so schöner, dass wir für diesen Kunden eine eigentliche »unmögliche« Lösungen gefunden haben.
Ach ja, wir werden auch auf anderer Ebene auf diese sich ändernden Rahmenbedingungen reagieren, so dass wir mittel- und langfristig weiterhin besondere Lösungen anbieten können.
Kommentare
“und einer Sitzlänge (Mitte Sattelstütze bis Mitte Lenker) von mächtigen 67,5 Zentimeter” -> stimmt die Zahl? 67,5 erscheint mir nicht groß, Rennradrahmen in meiner Größe (Körpergröße gut 1,80) haben meist eine Oberrohrlänge um 57cm, mit 100er Vorbau wäre man fast bei der genannten Zahl.
@Andreas: Test bestanden ;-)
Spaß beiseite. Du hast recht, da haben wir uns glatt um zehn Zentimeter vertan, danke für den Hinweis.
Ja, improvisieren ist eine Kunst, die oft nicht genügend gewürdigt wird. Da darf man sich dann schon mal selbst auf die Schulter klopfen :)
Ich vermute, dass mehr hinter der Kurbelmodifikation steckt und würde mich über eine Antwort freuen, da mich das Thema ein klein wenig, also nur am Rande, mehr oberflächlich und gelegentlich interessiert. Auch mit Blick auf Mitlesende habe ich etwas ausführlicher geschrieben.
Die Kurbel Shimano FC-T551 3-fach hat eine Kettenlinie von 50mm, die GRX-Kurbeln 2-fach eine von 47mm (jeweils laut Angaben Shimano). Lässt man das äußere Kettenblatt bei der FC-T551 weg, verschiebt sich die Kettenlinie von der Kurbelmitte – nämlich dem mittleren Blatt – auf die Mitte zwischen dem inneren und mittlerem Blatt. Sie liegt dann mindestens auf dem Niveau der GRX 2-fach, vielleicht sogar einen Tick weiter innen. Demnach hätte die GRX-Kurbel gewählt werden können. Aber das ging offensichtlich nicht. War der deutlich schmälere Q-Faktor (GRX 151mm, FC-T551 181,1mm), dessen Vorteil man bei freier Wahl sicher gerne mitnimmt, und die damit verbundene nähere Stellung der Kurbelarme am Hinterbau ausschlaggebend oder gab es noch einen anderen Grund? Ich habe die Größe der möglichen Kettenblätter im Verdacht (und füge ergänzend hinzu: Die kleinsten mir bekannten Blätter für GRX produziert Spécialités T.A. mit jeweils 28 und 44 Zähnen).
@ Klaus: Richtig, es ist vor allem der Q-Faktor der hier den Ausschlag gegeben hat bzw. die Limits setzt. Wir werden das im Artikel auch noch entsprechend umformulieren.
Den VT900 fahren mein Sohn und ich schon viele Jahre, ein sehr guter Rahmen, extrem starr (so, wie ich es liebe).
Warum das Schaltungsthema nicht lösen mit eine Rohloff?
Gruß Hans
@ Hans: Warum keine Rohloff – Die Gründe könnten sein: Nicht jeder mag eine Nabenschaltung fahren, die dazu benötigten Shift-R-Road-Bremsschalthebel sind auf unabsehbare Zeit nicht lieferbar, und »günstig« sind Rohloff-Rennlenker-Lösungen auch nicht. Es sei denn, man kurbelt 200.000 Kilometer zusammen, da ist dann wahrscheinlich der »Brake Even« ;-)
Sitzt das ehemals mittlere Blatt mit Spacern am großen? An den Lochkreis des kleinen passt es ja nicht…
Sehr kreative Lösung – Chapeau!
@ Matthias: Genau richtig – das “mittlere” Kettenblatt ist mit Spacern am großen befestigt. Die Spacerdicke ist auf die Zähnedifferenz der Kettenblätter abgestimmt.