Reifenformat

Das Reifenformat ist weitaus mehr als die sogenannte Laufradgröße. Die Kombination aus Laufradgröße, Reifenvolumen und Felgenbreite beeinflusst maßgeblich die Fahreigenschaften und somit den Einsatzbereich des Fahrrads.

Das Reifenformat und die Reifeneigenschaften sind von elementarer Bedeutung für die Fahreigenschaften und den Einsatzbereich. Sie sind quasi das Schuh- und Fahrwerk des Fahrrads. Daher ist die Wahl des richtigen Reifenformats ein wichtiger Aspekt für ein Fahrrad, »das in Funktion und Größe einfach passt«.

Die Komfortzone

Vielseitig nutzbare Fahrräder – dazu zählen wir Trek-king-, City-, Tourenräder usw. – werden traditionell mit 28-Zoll-Laufrädern gebaut. Eine durchaus respektable Laufradgröße, deren Vielseitigkeit dennoch einige Wünsche offenlässt. Ungeachtet dessen verweilen Kunden und Hersteller seit 30 Jahren in dieser »Laufradgrößen-Komfortzone«.

Dabei haben sich Reifen und Felgen in den letzten Jahren rasant entwickelt. Neue Technologien und Erkenntnisse stellen alte Paradigmen auf den Kopf und eröffnen faszinierende Möglichkeiten. Beispiel gefällig: Noch immer ernten wir ungläubiges Staunen, wenn wir darauf hinweisen, dass breite Reifen (bei gleicher Oberflächenspannung) nachweislich weniger Rollwiderstand haben als schmale Reifen.
Damit lassen sich endlich Leichtlauf, Komfort und Sicherheit in einem Reifen vereinen. Obwohl alle Untersuchungen diese Erkenntnis bestätigen, hält sich weiterhin die anschauliche und naheliegende, wenn auch nicht zutreffende Überzeugung, dass schmale Reifen per se leichter rollen …

Wenn Sie bereit sind, über den Tellerrand zu schauen, dann lesen Sie weiter ;-)

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Reifenformat statt Laufradgrößen-Hickhack

Seit über 30 Jahren wird bei Velotraum das Reifenformat konzeptionell eingesetzt und ist eine grundlegende Säule aller Velotraum-Fahrradwelten. Dabei konzentrieren wir uns aus wohlüberlegten Gründen auf zwei Laufradgrößen: 27 Zoll und 27,5-Plus.

Das hört sich zunächst nach wenig an, aber sobald man statt der verwirrenden Zoll- und Marketing-Bezeichnungen den Felgen-Nenndurchmesser aus der E.T.R.T.O.-Norm verwendet, wird klar, dass am Markt im Wesentlichen drei Größen zum Einsatz kommen:

  • I. 559 mm — dies ist der Felgen-Durchmesser für 26 Zoll
  • II. 584 mm — dies ist der Felgen-Durchmesser für 27,5 Zoll und B-plus
  • III. 622 mm — dies ist der Felgen-Durchmesser für 28 Zoll und Twentyniner (29er)

Mit ein wenig Kopfrechnen ist unschwer zu erkennen: Die Laufradgrößen liegen lediglich 25 bzw. 38 Millimeter auseinander. Diese überschaubaren Unterschiede sind auch der Grund dafür, weshalb allein die Laufradgröße die Fahreigenschaften wenig beeinflusst. Weitaus mehr Relevanz hat daher das Reifenformat, also die Kombination aus Laufradgröße und Reifenbreite!

Insbesondere für 27,5 Zoll gibt es inzwischen eine Vielzahl an Reifenformaten und Modellen, und jedes Modelljahr werden es mehr. Die viele Jahre von uns bevorzugte 26-Zoll-Größe hat leider völlig an Bedeutung verloren und wird nur noch bei Lastenrädern verwendet.

Konzept VK6 | Format: 55-559
Speedster SP1 | Format: 48-584
Finder FD2 | Format: 70-584
Pedelec FD2E | Format: 55-584

27,5 Zoll – Der neue Standard

Wie bereits erwähnt hat die Laufradgröße 27,5 Zoll inzwischen den »Platz« der 26-Zoll-Größe eingenommen. Technische Fakten haben bei dieser Rochade weniger eine Rolle gespielt; die treibende Kraft war insbesondere das Attribut »neu«. Eine Entwicklung mit der wir gut leben können, da die Eigenschaften der beiden Laufradgrößen sehr dicht beisamen liegen.

  • Vielseitigkeit — Es stehen eine Vielzahl an unterschiedlichen Reifenarten zur Auswahl, und ebenso vielfältig sind die Profilvarianten. So kann die Reifenwahl als wunderbar vielfältiges Mittel zur Abstimmung des Rades bzw. zur Anpassung an Ihre individuellen Wünsche genutzt werden. Kostengünstig, schnell und unkompliziert.
  • Belastbarkeit — Infolge des vier Zentimeter kleineren Durchmessers gegenüber 28 Zoll sind 27,5-Zoll-Laufräder um zirka 20 Prozent stabiler. Mit der Stabilität steigt freilich auch die Haltbar­keit, da Speichenbrüche infolge von Mate­ri­al­ermüdung praktisch ausgeschlossen sind.
  • Leichtlauf — Ein sehr kontroverses Thema. Das komplexe Zusammenspiel von Oberflächenspann­ung (Luftdruck), Wulstbildung, Karkassen­qualität, Gummimischung und Laufradgröße lässt sich nicht auf einfache Formeln wie »breiter rollt besser als schmäler«, »je größer der Durchmesser, desto geringer der Rollwiderstand« usw. reduzieren. Nur soviel kann man mit Gewissheit sagen: Der Größenunterschied ist von untergeordneter Bedeutung. Relevant für den Leichtlauf sind vielmehr Luftdruck, Reifenmodell, Reifenbreite, Felge und Schlauch(!).

  • Verfügbarkeit — Aktuelle Mountainbikes, Pedelecs und Gravelbikes rollen häufig auf 27,5 Zoll. Daher ist inzwischen eine sehr gute Verfügbarkeit gewährleistet, und es besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, Ersatz für Schlauch, Reifen, Felge oder gar ein ganzes Laufrad zu bekommen. Vielleicht nicht in jedem Kuhdorf in der Provinz, aber in jeder größeren Stadt und zwar weltweit.
  • Rahmendesign — Breite Reifen und die dazu passenden Schutzbleche benötigen viel Platz im Rahmen. Im Vergleich zu einem reinen Sportrad (an dem keine festen Schutzbleche montiert werden können) müssen rund 2,5 Zentimeter mehr Platz vorgesehen werden, und zwar sowohl fürs Hinter- als auch fürs Vorderrad. Kleinere Laufräder bieten mehr Spielraum bei der Rahmenkonstruktion und somit der Fahrradkonzeption. Als Produktentwickler kann man daher konsequent die gewünschten Produkt- und Fahreigenschaften verwirklichen.
  • Fahreigenschaften — Velotraum-Fahrräder mit 27,5-Zoll-Laufrädern sind spürbar agiler, spritziger, präziser und gehen einfach »besser um die Ecken«. Das geringere Gewicht, die höhere Stabilität und Steifigkeit und die kompaktere Rahmen­geometrie summieren sich zu einem besonderen Gefühl von Direktheit bei der Kraftum­setzung und Verbundenheit mit dem Fahrrad. Am besten können Sie diese Eigenschaften bei einer Probefahrt erfahren.
  • Schlankheit — Für angenehme Überrolleigenschaften empfehlen wir generell eine Reifenbreite zwischen 50 und 55 Millimeter. Wenn die Gewichts- einsparung (bis zu 350 Gramm pro Reifen) und die schlankere Optik an oberster Stelle stehen, dürfen es auch schon mal 42 Millimeter »schmale« Reifen sein.
Reifenbreite und Felgenbreite sollten zueinander passen. Erst auf einer breiteren Felge entfaltet ein breiter Reifen sein volles Potenzial
  • Tubeless — Die vielversprechende, aber im Moment noch nicht ganz alltagstaugliche Schlauchlos-Technologie gibt es nur für 27,5 Zoll. Die Vor- und Nachteile für »Normalnutzer« halten sich im Moment die Waage, wir selbst wollen auf Tubeless freilich nicht mehr verzichten.
  • Disc only — Nur für Scheibenbremse. Hochwertige 27,5-Zoll-Felgen für die Felgenbremse existieren quasi nicht. Das ist nicht nur dadurch begründet, dass immer mehr Fahrradgattungen ausschließlich mit Scheibenbremsen angeboten werden. Auch technisch lassen sich Anforderungen wie breite und leichte Felgen nicht mit dem existierenden Felgenbremsen-Standard realisieren.

27,5-Plus – Die Erweiterung

Ungleich mehr als eine optische Variante sind Reifen im sogenannten »Plus-Format«. Wie die Bezeichnung nahelegt, beträgt die Breite dieser Reifen 57 bis 70 Millimeter und eröffnet – bei entsprechend angepasstem Luftdruck – völlig neue Möglichkeiten. Dabei gibt es keine scharfe Trennline zwischen 27,5 und 27,5-Plus. Vielmehr ist der Übergang fließend irgendwo bei 60 Millimeter. Allerdings liegen zischen den Größen 50-584 und 70-584 Welten hinsichtlich der Eigenschaften und des Einsatzbereichs, obwohl die »Laufradgröße« (584/27,5) identisch ist

Maulweite

Damit diese Eigenschaften auch wirklich zur Verfügung stehen, gilt es ein unscheinbares, aber wesentliches Detail zu beachten: die Felgenhorn-Breite respektive Maulweite. Damit bezeichnet man das Maß zwischen den Felgenhörnern und es gilt: Je größer die Maulweite, desto »stabiler« ist der Reifen. Ein breiter Reifen allein reicht also nicht. Erst wenn Felgen- und Reifenbreite gut aufeinander abgestimmt sind, funktioniert das Ganze.

Schon ab 50 Millimeter Reifenbreite (2 Zoll) empfehlen wir eine Felgenhorn-Breite von 25 Millimeter. Leider sind die europäischen Felgenhersteller hinsichtlich der Felgenhorn-Breite nicht differenziert genug aufgestellt. Daher beziehen wir bei »Alex-Rims«, einem der renommiertesten Felgenhersteller Asiens, Felgen in fein abgestuften Maulweiten von 25, 30, 35 und 40 Millimetern.

Für Velotraum steht natürlich nicht so sehr der klassische Mountainbike-Einsatz im Vordergrund als vielmehr die Eignung als Eier legende Wollmilchsau. Dafür prädestiniert sind die gemäßigten Plus-Formate von 60- bis 70-584 (2,35–2,7 Zoll), für die es inzwischen eine gute Auswahl an verschiedenen Reifenmodellen gibt. Doch worin genau begründen sich die besonderen Eigenschaften und Merkmale von 27,5-Plus?

  • Komfort und Sicherheit — Bei 27,5-Plus-Reifen kann der Luftdruck auf 0,7 bis 1,0 Bar gesenkt werden und somit der Komfort und die Traktion erstaunlich gesteigert bzw. verbessert werden.
  • Omniterra — 27,5-Plus ist das passende Reifenformat für Radfahrer, die überwiegend »offpavement«, also jenseits des Asphalts unterwegs sein wollen bzw. müssen. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass dabei auch unsere »kultivierten« Forst- und Landwirtschaftswege immer wieder und meist überraschend nach Reserven verlangen. Apropos kultiviert – für Stadtbewohner gilt mitunter das Gleiche, denn Bordsteine, Schlaglöcher, Kopfsteinpflaster, Gehwegplatten und Straßenbahnschienen sind auch nicht ohne …
  • Abenteuer & Reserven — Sobald man beim Radreisen das Unbekannte oder Abenteuer sucht und die radtouristischen Trampelpfade verlässt, ist es gut, wenn das »Fahrwerk« über Reserven für Überraschendes verfügt. Mit 27,5-Zoll eröffnen sich in der Tat neue Möglichkeiten mit dem Rad zu reisen.
  • Pedelec — Es gibt nichts Besseres fürs Pedelec: Universell einsetzbar, hohe Reserven, viel Komfort und mehr Sicherheit. Pedelec und Plus-Bereifung sind quasi füreinander geschaffen.