Velotraum-Team
Portrait von Stefan Stiener | Gründer

Stefan Stiener | Gründer

Ein Lebenswerk mit Happy End – Während viele kleine und mittlere Unternehmen – sogenannte KMU – keinen Nachfolger finden, konnte ich 2024 mein Lebenswerk, die Marke und das Unternehmen velotraum, das ich 35 Jahre lang geführt und gestaltet habe, an Axel Keller übergeben. Nach dem Verkauf begleitete ich noch 15 Monate den Übergang, bevor ich mich ganz aus dem Unternehmen zurückzog, um neuen Menschen und Ideen den größtmöglichen Raum zu geben. Meinen Nachfolgern und ihrem Team wünsche ich von Herzen viel Erfolg und dass es ihnen gelingt, das nächste Kapitel von Velotraum in ihrem Sinne zu gestalten.

Stefan Stiener | April 2025

Die Gründerstory

Kurz nach Beginn meines Architekturstudiums habe ich zusammen mit einem ehemaligen Freund ein Fahrrad-Keller-Geschäft gegründet (1986), heute würde man sagen ein Start-up. Dass aus diesem Hobby-G’schäftle einmal eine Fahrradmanufaktur und Marke werden würde, noch dazu mit mir als prägendem »Kopf«, hätte ich mir damals nicht träumen lassen. Und doch ist die spannende Geschichte von Velotraum rückblickend ein klar vorgezeichneter Weg, geprägt von persönlichen Leidenschaften und Überzeugungen.

Es war 1981, als ein gewaltiger Satz im Weitsprung mit einer Bruchlandung bei 6,70 Meter meinen Ambitionen als Kaderathlet ein jähes und folgenreiches Ende bereitete. Denn nach zwei Wochen Gips am lädierten Kniegelenk wurde das im Keller fast vergessene Sporttourenrad meines Vaters zur »Krücke«, also zur einzigen Möglichkeit der Fortbewegung und sportlichen Betätigung.

Fahrradfahrern steht für mich immer in einem gefühlten Zusammenhang mit Revolution.« [Maximilian Probst]

Die »Krücke« Fahrrad sollte dann innerhalb weniger Jahre mein Lebensgefühl bestimmen. Denn im Fahrrad fand ich ein Vehikel, das mich als Person in vielfältiger Weise »erweiterte«. Die Geschwindigkeit der Fortbewegung, die veränderte Wahrnehmung auf dem Rad, die Selbstbestimmtheit, das Schwimmen gegen die motorisierte Springflut, ein gewisses Außenseiterdasein, aber auch Understatement und Protesthaltung, der enorme Aktionsradius, Naturnähe und Naturerlebnis, die Lust am dahintreibenden und selbstbewegten Unterwegssein. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

1988 bis 2024 in Bildern

1985 | Fahrradtour zu Ostern im Tarntal. Das Kurze-Hosen-Wetter hielt nicht lange an, ein paar Tage später gab es Schnee ;-)

1987 | Die Kellerwerkstatt von Velotraum und der Chronist beim Zusammenbau eines individuellen Kundenrades, der Montageständer war übrigens selbst gebaut ;-)

1990 | Aus dem Kellergeschäft ist ein kleines, feines Fachgeschäft für hochwertige Fahrräder geworden. Die Einrichtung und den Ladenbau haben wir natürlich selbst gemacht, mit Hofe-Regalprofilen und Buch-Multiplexplatten.

1992 | »Wir fahren die Dinger selber« war schon immer ein konsequent gelebtes Motto bei Velotraum, hier der Chronist bei einem der legendären Mountainbike-Rennen in Oberlengenhardt.

1992 | Der erste Schritt zum eigenen Produkt und zur Marke Velotraum. Die erste Kleinserie eines eigenständigen Velotraum-Rahmens mit dem Namen »Crossover« wird beim damaligen Kultrahmenbauer »Ferrarolli« in der Westschweiz in Auftrag gegeben.

1993 | Ein Jahr später durchquerte der Chronist mit dem »Crossover«, dem Vorgänger des SPEEDSTER, die Nord- und Südinsel Neuseelands.

1995 | Nachfolgemodell des Crossover-Rahmens, maßgeschneidert und maßgefertigt bei Hardo Wagner in Lübeck.

1996 | Erklären und begründen, was man warum tut, statt es nur mit Marketingphrasen zu behaupten. Das Velotraum-Ringbuch, ein Vorläufer des »Schlauen Buches«, gibt Einblick in die damals schon sehr ausgeprägte Velotraum-Philosophie, in der Ergonomie schon immer einen besonders hohen Stellenwert hatte.

1996 | Erste Serienproduktion bei Fort-Frames in Tschechien. Die Rahmen »cross crmo«, »cross thron« sollten die Basis für das »Velotraum-Trekking-Konzept« werden. Die Velotraum-Rahmen wurden von 1996 bis 2007 bei Fort-Frames produziert.

1996 | Möbelbau für den nächsten Expansionsschritt: eine zweite Filiale in Weil der Stadt. Der Standort »Mäuerlesgang 2-4« wurde in den Jahren bis 2007 mehrfach umgebaut und erweitert …

2000 | Bei einer Radtour durch Koriska haben meiner Frau Patricia und mir andere Radreisende den Floh ins Ohr gesetzt, die legendäre »One-O-One« von Seattle nach San Francisco zu radeln. Gesagt, getan, einziger Wermutstropfen dieser grandiosen Tour: Wir hatten nur drei Wochen Zeit für die über 2.000 Kilometer.

2004 | Das Outdoor-Fotostudio von Velotraum am Standort Mäuerlesgang. Das Fotoshooting war Stress pur, denn das ganze Setup musste mit vereinten Kräften in Windeseile aufgebaut werden, die Sonne durfte nicht scheinen, es durfte aber auch nicht regnen und der Wind durfte auch nicht wehen …

2004 | Die Messestände von Velotraum spiegelten schon immer unsere Arbeitsweise und Produktphilosophie wider: wertig, schlicht, prägnant und wirkungsvoll. Hier ein von uns gestalteter Gemeinschaftsstand mit Tubus.

2005 | Bis 2006 haben wir die Fahrräder mit einer Serotta-Messmaschine angepasst. Diese hatte aber ihre Schwächen und wir wollten unseren Partnerhändlern auch ein solches »Werkzeug« zur Verfügung stellen. Also haben wir eine Velotraum-Maschine entwickelt, im Bild ein seriennaher Dummy im Maßstab 1:1 ;-)

2005 | Ergonomie-Workshops bei unseren Händlertreffen haben eine lange Tradition. An der Messmaschine Rudolf Beltinger – ehemals Pedal Plus – und Physiotherapeut Hajo Korte als Instrukteur.

2005 | Grandios-heroische Soloreise über die höchsten Alpenpässe von Genf nach Nizza. Anfang Juni ein echtes Wagnis, da einige Pässe noch nicht offiziell geöffnet waren, dafür aber kein Auto- und Motorradlärm ;-)

2006 | Meine Frau Patricia auf der Spezialradmesse in Germesheim. Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass Patricia ihren ungeliebten Beamtenjob – Regierungsbaumeister – an den Nagel hängen und bei Velotraum einsteigen würde.

2007 | Wenn schon Wagnis und Risiko, dann richtig: Patricia bei der Planung des neuen Betriebsgebäudes für Velotraum.

2007 | Kurze Arbeits- und Selfie-Pause an Heiligabend, schließlich sollte das neue Betriebsgebäude knapp drei Monate später eingeweiht werden.

2008 | In den letzten langen Nachtschichten Anfang März 2008 entstand ein Großteil des Interieurs, das in seinen Grundzügen bis heute bestens funktioniert und eine perfekte Einheit mit der Gebäudearchitektur und der Produktphilosophie bildet.

2008 | Making of – Wer sich gefragt hat, wie der »Stempel« auf die Fassade des Gebäudes gekommen ist, hier die Antwort: Wir haben auf der anderen Straßenseite einen Beamer aufgestellt und das eigens dafür angefertigte Foto auf die Fassade projiziert und so die Konturen auf die Wand übertragen. Der Maler füllte dann bei Tageslicht die Vorzeichnung mit Farbe aus.

2008 | Gesundheitliche Hiobsbotschaft und erfolgreiche Operation in der Neurochirurgie Tübingen (das ist übrigens kein Urinbeutel, sondern Liquor cerebrospinalis vulgo Nervenwasser …).

2008 | Rahmenanlieferung – Das neue Firmengebäude und die Lage im Industriegebiet waren eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Velotraum in Taiwan deutlich hochwertigere Rahmen produzieren lassen konnte. Am alten Standort in der Innenstadt hätten wir dafür keinen Platz gehabt und die 40-Fuß-Container hätten mit dem Helikopter eingeflogen werden müssen ;-)

2009 | Wieder halbwegs auf dem Damm und auf Tour, wenn auch noch nicht mehr im Jung-Siegfried-Modus (unverwundbar und grenzenlos energiegeladen).

2009 | Wandmalerei in Peschici im Gargano. Dieses Foto wurde für die damals noch verschickten Jahrespostkarten verwendet, dem Vorläufer von Newsletter&Co.

2013 | Vorstellung des Fat-Tourenbike »Pilger« auf der Eurobike-Pressekonferenz. Die alberne Verkleidung in die der Chronist gesteckt wurde war teil der peinlichen Inszenierung der »Kreativen« …

2013 | Mit dem »Pilger« gab es auch neue T-Shirts bei velotraum, an deren »Sprachbild« bzw. Metapher der eine oder andere Zeitgenosse heute noch scheitert ;-)

2014 | Händlerschulung im eigens dafür eingerichteten Seminarraum.

2014 | Ergonomie-Workshop bei Händlerschulung von der Galerie aus fotografiert

2011 | Die großen und kleinen Fluchten funktionieren am besten mit dem Fahrrad. Unabdingbar um die Akkus wieder aufzuladen …

2014 | Kleine Fluchten mit dem Pilger auf der Suche nach verwunschenen Winkeln in der Umgebung.

2014 | Der radelnde Chronist in seinem Element, immer mit viel Leidenschaft unterwegs, mit dem Rad und der Kamera.

2014 | Velotraum-Partner und späterer Velotraum-Käufer Axel Keller auf der Eurobike

2015 | Ein Gesicht in der Menge – der Eurobike-Stand von Velotraum, wie immer auf das Nötigste reduziert und mit viel Mut zur Farbe. Erstmals zu sehen: Das Omniterra-Fahrrad »FINDER«.

2015 | *Bar Camp an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Das Tafelbild entstand nach einem Impulsvortrag des Chronisten und zeigt die agile und gelebte Arbeitsweise bei Velotraum ;-)

2016 | Testfahrt mit den ersten Prototypen des ELEKTRIKER – damals noch E-Finder – im kroatischen Hinterland.

2019 | Dem Fahrrad in der Verkehrspolitik mehr Gewicht zu geben, war dem Chronisten schon immer ein Anliegen. Hier mit Verkehrsminister Herrmann bei der Unterzeichnung der Fördermitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußverkehrsfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V.

2021 | Welch ein Glücksgefühl, wenn man im hinterletzten Bergdorf in der Toskana ein nettes Café findet, denn was ist eine Radtour ohne einzukehren ;-)

2022 | Wenn keine Bar zur Hand ist, tut es auch eine Passhöhe für das Glücksgefühl. Die Unsitte, das Passschild mit Bäbbern zu bekleben, ist mir allerdings ein Rätsel.

2023 | Im Hinblick auf die sich abzeichnende Betriebsübergabe und im Sinne der gewünschten Kontinuität habe ich das gesamte Rahmenportfolio für die Modelljahre 2024 und 2025 nochmals grundlegend überarbeitet.

2024 | Spätherbst im Nationalpark Aspromonte. Damals noch als Chronist tätig, wie gut, dass das auch aus der Ferne möglich war ;-)

Authentizität oder »wie der Herr, so sein Gescherr« – meine mannigfaltigen Aufgaben bei Velotraum waren Marken- und Produktentwicklung, Beratung und Verkauf, Disposition, Inhalte der Website, Fotografie und gedruckte Broschüren. Dabei habe ich mich immer als kreativen Handwerker mit Bodenhaftung verstanden, dem Verallgemeinerungen, Superlative und Perfektionsversprechen immer suspekt waren. Als pragmatischer Produkt- und Markendesigner ging es mir immer um » Wirksamkeit« und darum, »gute Dinge um ihrer selbst willen besser zu machen«. Dass ich diese Geisteshaltung leben und mit dem Portfolio von Velotraum umsetzen durfte, war ein großes, wenn auch forderndes Privileg. Als »Chronist« hatte ich zudem ein Höchstmaß an inhaltlicher Beinfreiheit und Kompetenz, um auf der Velotraum-Website eine besondere Mischung aus Schöngeistigem, Fundiertem und Authentischem aus erster Hand anbieten zu können. Eine einmalige Konstellation, die für alle Velotraum-Freunde und -Kunden sicher ihren ganz besonderen Reiz hatte. Als Quereinsteiger eine so umfassende und erfüllende Tätigkeit ausüben zu können, habe ich daher immer als glückliche Fügung empfunden.

Natürlich schafft man ein solches Lebenswerk nicht allein. Es gehören immer andere Menschen und eine große Portion Glück dazu. Ich danke allen, die mich auf diesem Weg unterstützt und begleitet haben, allen voran meiner Frau Patricia.