Stiener unterwegs! – Nordschwarzwald-Fotorunde

Langjährige velotraum-Freund*innen wissen, dass Firmengründer Stefan Stiener nicht nur eine große Leidenschaft für das Fahrrad hat, sondern auch für die Fotografie. In diesem Beitrag teilt er sein umfangreiches Wissen über das Fotografieren auf dem Rad sowie seine Kenntnisse der Region Nordschwarzwald:

Bei einer Runde durch den nahen Nordschwarzwald wollte ich die Eignung meines neuesten Objektivs (Zoom 70–200/f4) für Radtouren testen.

Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass ich am liebsten im Brennweitenbereich von 50 bis 300 Millimetern fotografiere und somit eine andere Fotoästhetik bevorzuge als mit modernen Handys möglich ist, die primär für den Weitwinkelbereich ausgelegt sind. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die KI aktueller Handys eine Qualität liefert, die mit einer professionellen Vollformatkamera nicht ohne Weiteres zu übertreffen ist. Die Auseinandersetzung mit dem Motiv und dem Bildausschnitt nimmt einem das Handy allerdings (noch) nicht ab, wie die grottenschlechten Knipser-Bilder, die den Speicher der Handys bzw. die Clouddatenbanken füllen, erbarmungslos vor Augen führen.

Für mich als Ü60 ist Fotografieren weiterhin Handwerk und das Handy nur ein Notbehelf. Ich liebe die Herausforderung der »richtigen« Fotografie, auch wenn sich hier Lust und Frust die Waage halten – so auch auf meiner 65-Kilometer-Runde im Dreieck Bad Liebenzell, Calw und Agenbach ;-)

Auch wenn die hiesigen Touristiker das nicht gerne hören: Der Nordschwarzwald zwischen Nagold und Enztal hat einen eher spröden Charakter. Es überwiegen monotone Wälder, austauschbare Orte und Flächenfraß in Form von Gewerbe- und Neubaugebieten. Sobald man sich aber von Calw aus in Richtung Zavelstein die Höhe hinaufgekämpft und einen kleinen Bogen um das museale Zavelstein gemacht hat, taucht man in Speßhardt und Rötenbach in eine andere Welt ein. Die Radstrecke zweigt übrigens vor dem Garagentor links ab ;-)
Links stehn Bäume, rechts stehn Bäume, und dazwischen Zwischenräume … Bei geschickter Streckenwahl geht es ohne Zwischenanstiege weiter hinauf auf 750 Meter. Bei Sonne und hochsommerlichen Temperaturen sind die schattigen Nadelwälder sehr angenehm. Im Frühjahr und Herbst hingegen sind dieselben Wälder frostig und klamm.
Kurz vor Agenbach streife ich die motorisierte Welt mit ihren erstaunlichen Auswüchsen, um dann sogleich wieder in den ruhigen Schatten der Wälder in Richtung Oberkollwangen einzutauchen.
Oberhalb von Oberkollwangen eröffnet sich einer der seltenen Ausblicke hinüber zur Schwäbischen Alb, die im Mittagsdunst gerade noch zu erkennen ist. Apropos kaum zu erkennen: Für »richtige« Fotografen gilt eigentlich die Regel, dass man zwischen 11:00 und 17:00 Uhr keine Fotos macht. Denn fotografieren ist insbesondere auch das Gestalten mit Licht. Für Radfahrer auf Tour oder Reise ist das schwerlich umzusetzen. Wir sollten das als zusätzliche Herausforderung betrachten ;-)
22. Juni. Das Korn ist selbst in dieser klimatisch eher rauen Gegend fast schon reif …
Oberkollwangen im harten Mittagslicht. Hier trifft pietistische Kirchenarchitektur auf Undefinierbares.
Auf einer wenig befahren Straße geht es nach Breitenberg.
Von dort führt eine schmale und wunderschöne Anliegerstraße – für Radfahrer natürlich frei – hinab ins malerische Teinachtal.
Die Glasmühle ist natürlich nicht mehr in Betrieb, sondern dient inzwischen als privater Rückzugsort in diesem versteckten Winkel des Teinachtals.
Ein Refugium für […] …
… mit eigenwilliger Verortung ;-)
Einige Kilometer weiter erreicht man den prächtigen Lautenbachhof, ein mächtiges Bauernhaus, das zu einem Veranstaltungs- und Tagungsort umfunktioniert wurde.
Wer aus dieser Richtung in den Kurort Bad Teinach hineinfährt, stößt unvermittelt auf das langgestreckte Werksgelände der Mineralbrunnen Überkingen-Teinach GmbH & Co. KG. Zu dem Unternehmen gehören die Marken Teinacher, Krumbach, Hirschquelle, Afri, Bluna, Vaihinger, Klindworth und Merziger. Aus dem Wald ragt der Turm der Burgruine Zavelstein, allein schon wegen der Aussicht auch einen Besuch wert.
Bad Teinach – Früher Sommerresidenz der württembergischen Könige, heute ruhiges Vier-Sterne-Hotel mit Thermalbad und Kurpark.
Die Strecke zum Nagoldtal und dann weiter auf dem Nagoldtal-Radweg in Richtung Calw ist eintönig. Am besten bringt man sie mit »Kette rechts« zügig hinter sich. Durch den durchaus interessant-pitoresken »Hintereingang« gelangt man dann nach Calw, das dieses Jahr sein 950-jähriges Stadtjubiläum feiert.
Auf der Niklausbrücke befindet sich die lebensgroße Skulptur des berühmtesten Sohnes der Stadt, Hermann Hesse. Von dort aus blickt der Literaturnobelpreisträger (1946) auf die Bausünden der 60er- und 70er-Jahre und erträgt zudem stoisch die Selfiemanie, die mit ihm veranstaltet wird ;-)
Die Große Kreisstadt Calw ist ein wunderbares städtebauliches Studienobjekt. Sie zeigt, wie eine Stadt durch ihre topografisch beengte Lage, den Strukturwandel, unvermeidliche Verkehrschneisen und Bausünden der jüngsten Vergangenheit geprägt wird und mit welchen tauglichen und untauglichen Mitteln die notwendige Transformation versucht wird.
Bei aller Ambivalenz ist Calw in jedem Fall einen Besuch wert. Es lohnt sich, auf Entdeckungstour zu gehen und auch die Ecken abseits der Lederstraße und des Marktplatzes zu erkunden. Besuchenswert sind auch die rege Kulturszene, wie z. B. die Konzerte von »Jazz am Schießberg« und das Angebot der »Kultur-Apotheke«.
Nur wenige holprige Kilometer weiter – als Radfahrer verlässt man Calw auch auf dem Hinterausgang – erreicht man Hirsau mit seiner Klosteranlage, die ich ja schon mehrfach angepriesen habe. Beim Überqueren der Bundesstraße kann man, sofern man die Kapazitäten dafür hat, die Figuren-Trilogie des Bildhauers Peter Lenk bewundern. Er ist bekannt für seinen schrägen und bissigen Humor, mit dem er sich gerne an seinen Auftraggebern abarbeitet. Warum die Figuren an diese stark befahrene Kreuzung gestellt wurden, erschließt sich dem Chronisten nicht, aber es ist wohl ein typischer Fall von misslungener »Möblierung des öffentlichen Raums« ;-)
Ab Hirsau wird der Nagoldtalweg deutlich schöner. Ein Einkehrtipp (Donnerstag bis Sonntag) ist das stilvolle Café »Badhaus 1897«, das etwas außerhalb von Bad Liebenzell liegt.
Von dort aus heißt es für mich, nochmals das Tal hinaufzuklettern, auf die »Stuttgarter Seite« des Nagoldtals. Mein Lieblingsanstieg führt zunächst das steile Galgensträßle hinauf, das übrigens am Friedhof endet …, und dann auf wenig begangenen bzw. befahrenen Wegen und Trails bis vor die Haustür. Making of: Für das Selfie wurde die Kamera mit einem Gorilla-Stativ an einem Hochstand befestigt und per Handy ausgelöst – Handwerk eben ;-)