Während es der stylisch-urbanen Fahrradszene nicht retro- und klassisch-schlank genug sein kann, gibt es auch funktional begründete Gegentrends und Wiederentdeckungen.
Sicher, breite Ballonreifen sind nichts Neues, aber es gibt neue Aspekte, insbesondere in Verbindung mit breiten Felgen. Auch Rennlenker mit der Überbreite von 48,5 Zentimeter benutzte schon John Tomac vor 15 Jahren bei MTB-Rennen.
Reifen-Felgen-Kombination
Moderne Felgen können mit extrem unterschiedlichen Reifenbreiten gefahren werden, zumindest wenn es »nur« um die Funktion und Sicherheit geht. Dabei weichen die Angaben der Felgen-Hersteller inzwischen weit von den Empfehlungen der ETRTO-Norm ab. Sprich, auch relativ schmale (23–25 mm) und leichte Felgen können mit sehr breiten Reifen gefahren werden. Allerdings ist tunlichst der maximale Luftdruck* zu beachten, den der Felgenhersteller (hoffentlich) für die jeweilige Reifenbreite angibt.
Soweit so gut, schließlich sind die schmalen Felgen leicht und elegant, allerdings kann ein breiter Reifen (50 bis 55 Millimeter Breite) sein Komfort-Potential in dieser Kombination nicht voll entfalten. Kurvenfahrten fühlen sich bei niedrigem Luftdruck (1,5 bis 2,5 Bar) schwammig und unsicher an und auch der Rollwiderstand geht mit abnehmendem Luftdruck deutlich nach oben. Je breiter nun die Felge, desto formstabiler bleibt der Reifen und auch der Rollwiderstand lässt sich durch die breite Felge reduzieren. Diese Kombination aus Leichtlauf, Schluckvermögen und besserer Fahrkontrolle ist nicht nur für Mountainbiker eine unwiderstehliche Kombination, sondern für Alle, die nicht nur auf Asphalt unterwegs sind.
Leider gibt es bisher nur von Syntace leichte und extrabreite Disc-Felgen (35 mm), bzw. Systemlaufradsätze. Die Chiemgauer Komponenten-Schmiede hat uns zwar für 2014 eine Lieferung mit diesen Felgen in Aussicht gestellt, für 2013 gibt es erstmal nur die kompletten und reinen Sport-Laufradsätze für Kettenschaltung und ohne Nabendynamo.
Bis dahin bieten wir schon mal zwei Alternativen. Einmal eine breite und schwere Big Bull-Felge von Rigida für Felgenbremse und eine leichte Disc-Felge. Beide Felgen haben eine Breite von 30 Millimeter, statt der üblichen 25 Millimeter, und bieten in Verbindung mit 50/55 Millimeter-Reifen und reduziertem Luftdruck etwas bessere Fahreigenschaften. Nochmals spürbarer wird das optimierte Zusammenspiel von Felgen- und Reifenbreite sicherlich mit leichten und dennoch belastbaren 35-Millimeter-Felgen, die sich aber konstruktiv ausschließlich für Scheibenbremsen realisieren lassen. Denn, superbreite Felgen für Felgenbremsen werden aufgrund der Sicherheitsreserven für den Bremsabrieb immer der 700 bis 800 Gramm-Klasse angehören – sind also sehr schwer – und benötigen eine besondere Anordnung der Bremssockel in Kombination mit hydraulischen Felgenbremsen.
Ritchey-Rennlenker mit 48,5 Zentimeter Breite
Noch immer geistert die obskure Formel – Lenker = Schulterbreite – durch die Fahrradwelt. Egal ob es sich dabei um einen Renn- oder Touren/MTB-Lenker handelt. Dabei bezieht sich die Formel ausschließlich auf den Rennlenker und schon dort führt sie zu mehr Konfusion als Klarheit, denn an welcher Stelle misst man die Schulterbreite…. Fakt ist vielmehr, dass die Lenkerbreite aus physiologischen Gründen (Atmung, Hebelverhältnisse) so gewählt sein sollte, dass die Arme leicht geöffnet stehen sollten, wenn die Hände am Bremshebel des Rennlenkers greifen.
Wir sind sogar der Meinung, dass der Rennlenker – im Gegensatz zum Touren-/MTB-Lenker mit Hörnchen** – fast nicht breit genug sein kann. Denn, schon zwei Zentimeter mehr Breite bedeuten eine spürbar bessere Lenk-Kontrolle, insbesondere mit Gepäck oder auf unbefestigten Nebenwegen. Auch die Hebelverhältnisse beim Wiegetritt sind angenehmer und entspannter, obwohl die Breitenunterschiede optisch kaum sichtbar sind. Die oft angeführten »Nachteile« hinsichtlich des Luftwiderstands sind für Normal-Radler dabei völlig zu vernachlässigen. Angesichts dieser uns schon lange bekannten Tatsachen waren wir natürlich geradezu begeistert, als bei Ritchey nun der wunderbare Curve-Rennlenker auch in 46 MM (entspricht außen gemessen 48,5 cm) im Programm auftauchte und vor wenigen Tagen hier eingetroffen ist. Die 46 MM-Breite wird daher ab April beim Velotraum-Konzept zur Standardbreite, die 44 MM gibt es natürlich weiterhin über die Wahloption.
(*) Bei 50 oder 55 Millimeter breiten Reifen kann der vom Reifenhersteller angegebene maximale Reifendruck (z.B. 5 bar) bei leichten und/oder schmale Felgen zum ausreißen des Felgenhorns führen.
(**) hier haben wir selbst bei schmalen Lenkern mit Hörnchen eine Breite (außen/außen) von 56 bis 60 Zentimeter.
Kommentare
Schön, dass nach Idworx nun auch VT breite Felgen wiederentdeckt hat. Allein Utopia – wo Gewicht ja immer nur eine untergeordnete Rolle spielte – hat immer auf breite Felgen gesetzt. Der Faktor “Verschleiss” kann aber m. E. nicht der Hauptgrund für den Trend zu immer schmaleren Felgen gewesen sein. Sowohl die Mavic D-521/EX-721 (22-559) und Rando M5 (25-559) Felgen waren bei ca. 585 g Gewicht – besonders in harteloxierter oder gar “Ceramic” Ausführung – sehr haltbar. Aber während VT-Rahmen gut auf breite Reifen abgestimmt sind, könnte es bei breiten Felgen zusammen mit Felgenbremsen zu Kompatibilitätsproblemen kommen: schon die aussen 28 mm breiten Mavic D-521/EX-721 Felgen dürften kaum zusammen mit Magura HS33 Bremsen zu verwenden sein, da dafür die Sockelabstände zu klein sind. Somit dürften die Vorteile breiter Felgen wohl nur zusammen mit Scheibenbremsen problemlos an VT-Rädern genutzt werden können.
Ich finde es schade, dass ein Reifen in der Breite 55 mm in meinem VT900-Rahmen im Hinterrad so weinig Platz lässt zwischen Reifen und Schutzblech/Rahmen. Vorne ist das wesentlich besser. Und ohne Schutzbleche fahre ich nicht.
Zum Thema Felgenbreite: m.E. ist ein breiter Reifen auf schmaler Felge “elastischer”, als auf einer breiten Felge. Das meine ich positiv. Wegen deren Tragfähigkeit und Robustheit fahre ich jedoch die Rigida 30/40 mm.