Anpassung

Die individuell richtige Haltung auf dem Fahrrad ist unabdingbar für den Fahrspaß, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit. Aus diesem Grund werden Velotraum-Fahrräder immer mit Hilfe der selbst entwickelten »Velotraum-Messmaschine« angepasst.

Beim Fahrradkauf stehen meist die Überlegungen zur Technik, der Funktion und dem Gefallen an erster Stelle. Die mindestens gleichwertige Frage nach der richtigen Passform wird hingegen kaum gestellt oder unbeantwortet gelassen. Dabei hängen der Fahrspaß und die biomechanische Effizienz ganz entscheidend von der richtigen Sitzposition ab. Aus diesem Grund werden Velotraum-Fahrräder immer mit Hilfe der selbst entwickelten »Velotraum-Messmaschine« angepasst.

Abhilfe tut Not

Mindestens 70 Prozent der Radler sitzen falsch auf dem Rad. Das geschulte Auge kann diese Tatsache nicht nur allerorts beobachten, sondern die Defizite bei der Passform werden auch regelmäßig durch Umfragen bestätigt: Die Mehrzahl der Befragten werden beim Radfahren von Rücken-, Hand-, Knie- und Sitzbeschwerden geplagt. Kein Wunder, denn die Mehrheit fährt Räder, die entweder gar nicht oder falsch angepasst wurden.

Komplexe Aufgabe

Die individuell richtige Sitzposition bzw. Haltung auf dem Fahrrad ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Es gibt so gut wie keine unabhängige Forschung und belastbare, wissenschaftliche Fakten zu diesem Thema, allein schon deshalb, weil jeder Mensch einmalig ist und somit auch einmalige Anforderungen stellt. In unserer tagtäglichen Praxis vergeht keine Woche, in der wir nicht etwas Neues über die Paarung und Interaktion von Mensch und Fahrrad dazulernen. Daher ist die nach der Körpergröße oder der Schrittlänge per Faustformel »berechnete« Rahmengröße kein Garant für die richtige Passform, sondern lediglich eine Notlösung, die aber, aus leicht nachvollziehbaren Gründen, immer noch als Gold-Standard »verkauft« wird.

Lohnende Aufgabe

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die individuell richtige Haltung auf dem Fahrrad ist unabdingbar für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit. Denn nicht nur mangelnde Fitness lässt Anstiege zur Qual werden; eine ineffiziente Sitzposition kann den menschlichen Wirkungsgrad schnell mal halbieren! Nur eine individuell richtig eingestellte Sitzposition ermöglicht ein effizientes und somit kräfte- und gelenkschonendes Radfahren – auch beim Pedelec! Viele Wehwehchen wie Kniebeschwerden, Rücken­pro­bleme, Verspannungen usw. können durch eine falsche Sitzposition verstärkt oder ausgelöst werden.

Zwar gilt Radfahren zu Recht als gelenkschonend und kann, auch bei orthopädischen Pro­blemen, bis ins hohe Alter betrieben werden. Doch auch das Fahrrad hält genügend ergonomisch-orthopädische Fallstricke bereit, die bei intensiverer Nut­zung bestehende Beschwerden verstärken oder gar neue Beschwerden schaffen können. Damit das Fahrrad sein wunderbares Potenzial als Mobilitäts-, Sport- und Erlebnisvehikel ausspielen kann, gilt es diese zu umkurven.

Vorsicht – Ergonomie-Marketing

Inzwischen haben Hersteller wie Händler erkannt, dass es auf diesem Gebiet ge­waltigen Nachholbedarf gibt. Doch tut sich eine Branche generell schwer mit diesen eher »weichen« und subjektiven Anforderungen. Und so beschränken sich die Angebote auf ergonomische Insellösungen wie spezielle Lenkerformen, Lenkergriffe, Vorbauten oder Pedale.

Weitaus professioneller und zielführender erscheint da der Lösungs­ver­such Schritt-, Arm- und Rumpf­länge des potenziellen Radlers zu ermitteln, anhand derer per EDV-Pro­gramm die Pass­form »errechnet« wird. Dabei werden die Körpermaße des Kunden über eine Messanlage ermittelt – besonders eindrucksvoll – per Laser und »berührungslos« (Zitat). Mit diesen Körpermaßen sowie zusätzlichen Angaben zum Einsatzbereich und der gewünschten Haltung auf dem Fahrrad ermittelt dann ein Algorithmus die »passende« Sitzposition. So weit, so gut!

Die Grenzen dieser Systeme liegen jedoch auf der Hand. Da wäre zum einen die fehlende Transparenz des Ganzen, denn Körpermaße, Einsatzbereich und Attribute wie sportlich, komfortabel usw. erlauben nur ganz grobe Rückschlüsse auf die Sitzposition. Ein weiterer Nachteil liegt in der Tatsache begründet, dass die Bein- und Rumpf­muskulatur aktiv sein muss, um eine Sitzposition beurteilen zu können.

Der wichtigste Nachteil ist jedoch, dass Sie weder verschiedene »Pass­formen« testen können, noch dass Sie von diesen Systemen gefragt werden, wie Sie sich dabei jeweils fühlen. Subjektive menschliche Bedürf­nisse in eine Formel zu pressen ist ein sinnloses Unterfangen, denn – die richtige Haltung gibt es nicht. Die wechselseitigen und überraschenden Abhängigkeiten der Einzelfaktoren können also weder erfasst noch variiert werden.

Anpassung mit der Messmaschine

Die Lösung des Problems hört bei Velotraum auf den Namen »Mess­maschine«. Ent­fernt ähnelt das von Velotraum bereits 2005 entwickelte Gerät einem Home­­trainer, an dem alle geometrie- bzw. anpassungsrelevanten Parameter eingestellt und zur Probe geradelt werden können.

Zunächst wird die richtige Sattel- oder Sitzhöhe eingestellt. Übrigens, das klassische Fersenmaß als verbindliche Sattelhöhe hat ausgedient, da es durch die Bank zu niedrige Sitzhöhen ergibt. Inzwischen empfehlen wir, auch bei der Einstellung der Sattelhöhe, eine Kombination aus Beinwinkel- und Bewegungsanalyse. Aus­gehend von der ermittelten Sitzhöhe wird, je nach Einsatzbereich, eine erste, sehr grobe Sitzposition eingestellt. Dann werden systematisch verschiedene Lenker­posi­tionen, Lenker­formen, Lenker­griffe und Sättel durchprobiert bis alles zusammenpasst, also die individuelle und effiziente »Wohl­fühl­situation« gefunden ist.

Einfach, aber nicht leicht

Das hört sich zwar recht einfach an, ist aber alles andere als leicht in der Umsetzung. Tatsächlich wird aber bei dem Vermaßungsprozess ein ziemlich komplexer Vorgang per »Versuch-und-Irrtum-Methode« bewältigt (ähnlich wie beim Augenarzt oder Optiker, der die abschließende Feinanpassung der Brillenstärke per manueller »Besser-oder-Schlechter-Methode« ermittelt).

Bei der Sitzposition ist Teamarbeit und Eigenverantwortung gefragt. Dabei ist die aktive Mitarbeit des Kunden nicht nur erwünscht, sondern unabdingbar. Denn nur das Miteinander von Berater und dem in sich hinein fühlenden Kunden lässt das gewünschte Resultat entstehen. Dazu gehört auch das Vertrauen in den qualifizierten wie versierten Berater, wenn dieser eine Haltung empfiehlt, die zunächst als unbequem empfunden wird. Denn gute Sitzpositionen sind nicht nur individuell, sondern in aller Regel »anstrengend bequem«. Ein Ziel des Prozesses: Selbsterkenntnis – Wir wollen unsere Kunden in die Lage versetzen, sich die wichtigen Antworten selbst zu geben.

Neben dem Dazulernen im Alltag lassen wir keine Gelegenheit aus, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Damit gemeint sind zum Beispiel das Mitwirken an einem Ergonomie-Arbeitskreis oder ein eigener Physiotherapeut im Team.
Davon abgesehen, dass es so gut wie keine fundierten Weiterbildungen für den »Normalradfahrer« gibt, ist es nicht immer leicht, Heilslehren und nachhaltige Erkenntnisse voneinander zu unterscheiden.

Körper- und Haltungsschulung

Die wenigsten Radfahrer haben eine konkrete Vorstellung davon, wie sie auf dem Fahrrad sitzen. Zum Beispiel, wie ist die Neigung und Ausrichtung des Beckens und der Wirbelsäule, sind die Schultern angespannt nach oben-vorne gezogen oder entspannt hinten-unten, wie sieht die Beinanwicklung in Bewegung aus, pedaliere ich mit hoher oder tiefer Ferse usw. Häufig zeigen sich auf der Messmaschine Angewohnheiten, die dem Fahrer nicht bewusst und zu einer suboptimalen Gewohnheit geworden sind. Ein neues Fahrrad respektive eine neue Sitzposition allein kann solche Gewohnheiten nicht immer aufbrechen. Dazu braucht es Körperschulung und konkrete Tipps und Hilfestellungen (innere Bilder), um aus dem alten Fahrwasser herauszukommen. Ein großer Spiegel hilft beim Abgleich zwischen gefühlter und tatsächlicher Haltung, vermeidet Missverständnisse und macht Änderungen erfahr- und sichtbar.

Physiotherapeut Jörg bei einer internen Schulung
Ergo-ERFA bei Velotraum
Ergo-ERFA bei Velotraum
Ergo-ERFA bei Patria

Das Wesentliche ist für die Technik meist unsichtbar

Und was ist mit den ganzen neuen »Fittingmethoden«, die sogar Druckmessung mit druckempfindlichen Messfolien und Messplatten bieten?

Im Einzelfall, zum Beispiel bei hartnäckigen Sitz- und Sattelbeschwerden und ebenso für die immer noch marginal betriebene Wissenschaft zu diesem Thema, bieten diese Methoden sicherlich ganz hervorragende Lösungsansätze.

Ansonsten ist es mit der High-Tech-Anpassung ein wenig wie bei Rückenschmerzen: Das Wesentliche ist für die Technik (oft) unsichtbar.

Ein Erfahrungswert aus der Medizin soll veranschaulichen, was wir damit meinen. Wussten Sie, dass nur 15 Prozent aller Rückenschmerzen spezifische Ursachen haben und mit Röntgen/CT oder MRT darstellbar sind? Die restlichen 85 Prozent sind unspezifisch und somit für die Apparate-Medizin unsichtbar. Sehen, fühlen, erfragen und therapieren kann sie nur ein erfahrener und versierter Orthopäde oder Physiotherapeut.

Ergonomisches Dreieck und Rückkopplung aufs Produkt

Das Ergebnis dieses komplexen Vorgangs lässt sich grafisch über ein einfaches Dreieck darstellen, das wir als »Ergonomisches Dreieck« bezeichnen. Völlig unabhängig von der Körpergröße, Sitzposition (Lenker hoch oder tief) und Lenkerform definiert es die individuelle Sitzposition eines jeden Kunden und lässt sich präzise (± 0,5/1,0 Zentimeter) auf jedes Velotraum-Fahrrad übertragen.

Das ergonomische Dreieck benutzen wir nicht nur, um die Daten der Vermaßung auf das neue Fahrrad zu übertragen, sondern auch für die laufende Produktentwicklung. Inzwischen können wir auf einen Fundus von rund 20.000 Sitzpositionen (seit 1996) zugreifen. Deren permanente Analyse fließt auf vielfältigste Weise in die Entwicklung von Rahmenmodellen, Rahmengeometrien, Gabeldesign und Komponenten ein.

Bilderstrecke zur Anpassung