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Einblicke und Gedanken zur Sattel- und Fahrradanpassung

Jede Jeck is anders – Auch beim Sattel bewahrheitet sich das Kölner Grundgesetz, bisweilen sogar recht schmerzhaft.

Doch damit nicht genug. Abgesehen vom Wohlbefinden der »vier Buchstaben« hat der Sattel elementare Auswirkungen auf die gesamte Sitzposition.

Leider, leider lässt sich die Frage nach dem passenden Sattel nicht mit einem flotten Marketingsprüchlein à la »Ikea« beantworten. Schon allein darüber, wie man »richtig« auf dem Fahrradsattel sitzt, gehen die Meinungen auseinander – von den angebotenen Lösungen ganz zu schweigen. Einen ersten Einblick in die Materie bekommt man zum Beispiel bei Ergon.
Wie nicht anders zu erwarten hat jeder Sattelhersteller seine eigene Sattel-Philosophie samt ausuferndem Portfolio, was die Sache nicht einfacher macht.

Sattel – Sitzt du schon oder leidest du noch?

Vor Ort helfen uns all die schönen Sattel-Philosophien samt zugehöriger Modellvielfalt nur bedingt weiter, denn wir wollen und müssen für unsere Kunden einen passenden Sattel finden. Angesichts der Hunderten von Sattelmodellen gleicht das ein wenig der Stecknadelsuche im Heuhaufen.
Passend meint dabei, dem Kunden ist es möglich, eine physiologisch sinnvolle Sitzpostion einzunehmen und gut zu sitzen. Dabei ist das Eine ohne das Andere nicht zu haben. Nur wenn das Becken beschwerde- und schmerzfrei auf dem Sattel »abgelegt« respektive positioniert werden kann, lässt sich eine physiologisch gute Sitzpostion einnehmen. Leider ist der »unkomplizierte Kundentyp« – der mit fast jedem Sattel klar kommt – die Ausnahme. Die Mehrheit der Kunden hat das Richtige noch nicht gefunden und berichtet von eher mehr denn weniger Problemen mit dem Sattel.

»People-Business ist ein schwieriges Business« – so lautete mal das Fazit einer sehr renommierten »Speakerin« zum Umgang mit Kunden. Gemeint war damit weniger, dass Kunden per se schwierig seien, sondern dass Beziehungsarbeit – und darum geht es im Kern – mitunter eine ebenso anspruchsvolle wie herausfordernde Aufgabe darstellt. Kein Wunder, dass viele Anbieter von Waren und Dienstleistungen sich inzwischen hermetisch abschirmen und die »schwierigen Kunden« mit Social Media, Chatbots oder Callcenter auf Distanz halten.

People-Business – schwieriges Business

Doch zurück zum Thema. Eine Patentlösung für den passenden Sattel ist bislang noch nicht gefunden worden. Auch ambitionierte Ansätze wie Druckmessung oder gar auf Maß gefertigte Sättel treffen nicht immer ins Schwarze.
Bei Velotraum wird die Sattelwahl immer im Rahmen der Fahrradanpassung vorgenommen. Nach unserem Dafürhalten kann die Sattelwahl nur in Verbindung mit der individuell passenden Sitzposition erfolgen, da Becken und Wirbelsäule eine funktionelle Einheit bilden. Dieser ganzheitliche Ansatz hat sich bei Velotraum über viele Jahre bewährt und wurde immer weiter verbessert. So haben wir in den letzten Jahren unsere Sattelauswahl deutlich verfeinert und vergrößert, und es stehen über 20 verschiedene Modelle zur Auswahl.

Freilich reicht eine große und kuratierte Auswahl allein nicht aus. Mit entscheidend ist zum Beispiel, dass die Sättel rasch getauscht werden können, denn nur im unmittelbaren Vergleich ist der menschliche Popometer in der Lage, die Unterschiede zu erkennen. Unser Ziel ist es dabei, mindestens ein »Okay-Niveau« zu erreichen – ideal ist es, wenn der Kunden »seinen« Sattel findet. Dieser Aha-Effekt – so gut bin ich ja nie auf einem Fahrradsattel gesessen – ist vom Kunden deutlich spürbar und auch von außen sichtbar: Das Becken ruht besonders definiert und entspannt auf dem Sattel. Leider lässt sich dieser Idealzustand nicht immer erzielen, zumal der »Popometer« nach fünf bis sechs Sattelmodellen an seine Berurteilungsgrenzen kommt.

Wie bereits erwähnt, ist die Merkfähigkeit des Popometers für das Sitzgefühl respektive die Passform nur von beschränkter Dauer. Unser Sattel-Schnellwechsel-System Saddle Changer leistet dabei hervorragende Dienste, denn der Tausch und die Einjustierung dauert nur ein paar Sekunden.

Auch wenn wir nun seit fast dreißig Jahren unsere Fahrrad-Anpassung immer weiter optimiert haben, können wir nicht garantieren, dass wir für Jede und Jeden die optimale Lösung hinsichtlich Sattel und Sitzposition finden. Freilich ist unsere Trefferquote hoch und vor allem hat der Kunde immer die Möglichkeit, in diesem sehr transparenten und nachvollziehbaren Prozess mitzuwirken. Dass es sich hierbei um eine sehr anspruchsvolle Dienstleistung handelt, liegt auf der Hand und unterscheidet sich doch erheblich von den Ergonomie(verlegenheits)lösungen, die fast jeder Hersteller oder Händler anbietet. Ein fundiertes Arbeiten mit dem Kunden findet sich dagegen vergleichsweise selten.

Aktuell haben sich verschiedene Ergon- und Terry-Modelle als echte Bereicherung unseres Sattelportfolios herausgestellt. Insbesondere die schmalen Race-Komfort-Sättel von Terry haben sich als echte Problemlöser bei Frauen und Männern erwiesen, obwohl sie eher schmal und straff sind. Sehr häufig kommt von den Kunden die ungläubige Rückmeldung: »Wow – der fühlt sich aber gut an.« Das sind dann so die kleinen Höhepunkte im Beratungsprozess, denn was ist schöner, als für den Kunden ein grundlegendes Problem zu lösen.

Umso mehr blicken wir mit einiger Verwunderung auf die momentanen Gepflogenheiten in unserer Branche. Beim E-Bike wird das Thema Anpassung – abgesehen von den erwähnten Verlegenheitslösungen – inzwischen so gut wie gar nicht (mehr) thematisiert; der Motor wird’s schon richten … Aber auch beim »Biobike« respektive Fahrrad, hat die stets knappe Ware eher wieder zu Rückschritten geführt. Die Kunden müssen sich oft mit suboptimal passenden Rädern arrangieren, die ihnen der Handel aus dem Katalog verkauft …

Besser mit »KI« zum passenden Fahrrad?

Speziell die großen Online-Händler sowie ambitionierte Premiummarken, die über den Fachhandel vertreiben, wissen um die Bedeutung der »Passform«. Mit Hochdruck suchen sie nach digitalen Lösungen, die – unabhängig vom Fachhandel bzw. der (nicht) vorhandenen Ergonomiekompetenz – eine »perfekte Konfiguration« ermitteln.

Künstliche Intelligenz (KI) verspricht zum Beispiel MQ Fit Bike. Hier reichen zwei Ganzkörperfotos für die Erzeugung eines Avatars, der dann verschiedene Simulationen ermöglicht. Das ist ein durchaus spannender Ansatz, der zu ganz passablen Ergebnissen führen kann, sofern man in das Raster der zugrundeliegenden KI (Algorithmus) passt. Auch nicht von der Hand zu weisen ist der Umstand, dass nicht nur Käufer von hochpreisigen Manufakturprodukten die Chance auf ein passendes Fahrrad haben.

Was dieser digitalen Anpassung aber völlig fehlt, ist die für unser Dafürhalten so wichtige Interaktion zwischen Kunde und geschultem Berater, sowie das eigene Erfühlen und Erleben verschiedener Sitzpositionen, Lenkerformen und Sättel. Uns mutet die virtuelle Fahrradanpassung ein wenig so an wie eine Weinprobe am Bildschirm ;-)
Aber die Menschen sind unterschiedlich und nicht nur bei den »Digital Natives« ist die Technikgläubigkeit inzwischen so ausgeprägt, dass viele Kunden einer anonymen KI mehr »vertrauen« als einem Gegenüber aus Fleisch und Blut. Das ist nun nicht der Untergang des Abendlands, sondern schlicht eine soziologische und ökonomische Antizipation einer sich ändernden Gesellschaft.

Daher wird uns die Zukunft ganz sicher mehr dieser KI-basierten »Einkaufserlebnisse« bescheren, denn damit ist zumindest auf der Anbieterseite das menschliche Kompentenz-Nadelöhr beseitigt, und es lässt sich herrlich skalieren ;-)

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