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Altbacken und/oder moderner Klassiker

Schönheit liegt im Auge des Betrachters, das postulierte schon 400 Jahre vor Christus der griechische Stratege Thukydides.

An der »Schönheit« von Gesichtern wurde diese Aussage inzwischen wissenschaftlich erforscht und – Überraschung – bestätigt.

Das eigentlich spannende dabei: Welche Gesichter respektive Gesichtszüge als »schön« eingestuft werden, hängt offensichtlich von den ureigensten Erfahrungen des Betrachters ab, nicht von seinem Umfeld und nur wenig von seiner genetischen Veranlagung: Selbst eineiige Zwillinge finden unterschiedliche Gesichter anziehend.

Doch was hat das nun mit dem hier abgebildeten Pedelec FD2E zu tun?

Es handelt sich um ein Angebotsrad aus der Rubrik Reduziert, das der Chronist beim Fotografieren neu »gesehen« hat. Nicht mehr als eine aus-der-Zeit-gefallene Altlast, die es zu veräußern gilt, sondern als eine reizvolle und elegante Alternative zum Pedelec-Mainstream. Statt einer hydrogeformten Materialorgie mit mal mehr und mal weniger gelungener Linienführung und Proportion hat dieses FD2E vergleichsweise simple Rohre, und der Akku sitzt, wie eine Trinkflasche – warum integriert die eigentlich keiner – deutlich sichtbar auf dem Oberrohr. Natürlich stellte ich mir sogleich die Frage, ob ich hier nicht ein Opfer meiner »ureigensten Erfahrungen« geworden bin? Zudem steckt in meinem eigenen FD2E ja auch noch so ein FD100E-Rahmen der ersten Generation. Freilich weniger aus ästhetischen, sondern überwiegend aus pragmatischen Gründen: Warum was ersetzen, was blendend funktioniert.

Doch auch einige Wochen und einen Urlaub später hat sich meine Sicht auf die »Altlast« nicht grundlegend geändert: Was für eine erfrischende Alternative zu den adipösen Standard – die SUV-Fahrzeuge der Autobranche lassen grüßen –, den das Gros der Pedelecs auszeichnet (nicht gemeint sind freilich jene kompromissbehafteten Mimikry-Rädern, die zu verbergen suchen, dass da Motor und Akku am werkeln sind).

Ja sapperlot, bin ich denn der einzige Sehende unter Blinden?

Wohl eher nicht. Die Anderen gucken da einfach anders drauf. Die meisten Käufer haben daher keinerlei Probleme damit, sich zum Verwechseln ähnlich sehende Pedelecs im Mopedformat zu kaufen. Und damit ist klar, wer hier der ästhetische Geisterfahrer ist … Unter Umständen ist aber alles viel trivialer: Mit solchen Überlegungen beschwert sich die Mehrheit erst gar nicht und folgt einfach der Peergroup ;-)

So oder so, inzwischen habe ich meine Wunden geleckt und tröste mich mit dem Gedanken, dass sich unter den 100 Millionen Menschen in der D-A-CH-Region auch weiterhin genügend »Geisterfahrer« finden werden, die glücklich über eine andere »Pedelec-Ästhetik« sind und sich einen Dreck um die Meinung ihrer Peergroup scheeren oder – das gibt es auch – einer Velotraum-Bubble angehören.

Wobei, so ganz auf dem Holzweg scheinen wir bei Velotraum nicht zu sein. Koga Miyata stellte unlängst wieder Pedelecs mit aufgesetztem Akku und simplen und kar erkennbaren Rahmenrohren vor. Die Begründung dafür: Nicht jeder Kunde wolle die kiloschweren Fahrrad-Elektro-SUVs. Und auch Riese und Müller – Vorreiter in Sachen XXL-Pedelec – hat mit viel Tamtam eine abgespeckte Modellline vorgestellt. ;-)

Ein wenig erinnert mich das an die Modebranche: Alles kommt wieder. Also mit der Schlag-Hosen-Jeans nicht arme Afrikaner zwangsbeglücken, sondern einfach im Schrank lassen und warten, deren Zeit wird schon wieder kommen ;-)

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