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Meckpomm- und Uckermarkrunde – schlicht »alternativlos«

Bereits vor drei Jahren habe ich den »Osten« Deutschlands – konkret Sachsen und Brandenburg – schätzen gelernt und den Vorsatz gefasst wiederzukommen.

Nachdem im Vorjahr ein Firmeneinbruch jäh und rüde mein alljährliches Radtouren-Zeitfenster pulverisierte, galt es dieses Jahr, nur die üblichen Hürden – Arbeit, Arbeit, Arbeit – zu überwinden.

Da die Anreise mit der Deutschen Bahn – bedingt durch die Fahrradmitnahme – einen ganzen kostbaren Tag benötigt hätte, entschied ich mich fürs Firmenmobil und eine Anreise über Nacht mit Schlummerpause ;-)

Meine Fahrradwahl viel auf den Speedster SP1 mit SP-300-Rahmen, 2×10-Kettenschaltung und dem Reifenformat 57-584. Speziell bei der Bereifung war ich unsicher, ob der sportliche, leichte und stollenbewährte Thunderburt die richtige Wahl sei. Zeitmangel und Bequemlichkeit führten dann zur Entscheidung – ich würde mit dem Thunderburt unterwegs sein.

Ansonsten war mein Setup klassisch (Packtaschen) und reduziert. Die Ausnahme steckte in der Lenkertasche: die voluminöse und schwere Vollformat-Knipse. Bei der Navigation verließ ich mich komplett auf Smartphone und Mapout. Einfach nur genial, dass nun flexible und leistungsstarke Navigation, Kommunikation, Information und Dokumentation in einem Gerät stecken. Darauf wollte ich nie, nie wieder verzichten. Für die sechs bis sieben Tage hatte ich mir eine Runde mit so ungefähr 700 Kilometern vorgenommen – schauen wir mal was draus wird …

Fototagebuch – ein Versuch

Ich habe vergleichsweise viele Bilder in die Galerien gestellt (also ruhig mal auf einem großen Bildschirm in den Vollbildmodus gehen), auch die weniger gelungenen und vermeintlich banalen. In der Summe – so glaube ich zumindest – erzählen die Fotos eine eigene Geschichte. Also liebe Leser, lasst mich doch bitte wissen, wie Euch dieser Versuch gefällt – war schließlich eine Heidenarbeit ;-)

Tiefensee bis Angermünde – 85 km

Komisch – jetzt mach ich seit knapp 40 Jahren Radreisen, aber noch immer bin ich nervös und aufgeregt wenn es dann los geht. Nach hektischem Frühstück und Morgentoilette fuhr ich los. Vom Stellplatz für das Firmenmobil waren es noch 20 Kilometer bis zur eigentlichen Radrunde und bis dahin fühlte sich das Radfahren noch nicht gut an. Tja, so langsam sollte ich mich – Jahrgang 61 – daran gewöhnen, dass es von 100 auf Null und umgekehrt nicht mehr so hoppla hopp geht …

In Niederfinow, am idyllischen Finowkanal, machte ich einen Abstecher zum gleichnamigen Schiffshebewerk, einem »Historisches Wahrzeichen der Industriebaukunst«, für das sich der kurze Umweg unbedingt lohnt. Niederfinow hat übrigens auch einen kleinen und charmanten Campingplatz, wie man sie in den alten Bundesländern nicht mehr findet.

Die weitere Strecke nach Chorin war sehr abwechslungsreich – auch der Untergrund … Von Asphalt über Kopfsteinpflaster bis Sand war alles dabei. Am Kloster Chorin wurde ich erstmals von Mückenschwärmen überfallen. Da fiel mir die Entscheidung leicht, die sechs Euro Eintritt ins Klostergelände lieber im Kiosk des historischen Bahnhofs auszugeben.

Fototagebuch I. Tag

Heißa – die ersten Kilometer, wenn auch noch mit schütterer Baumallee
Haben den Sozialismus gut überlebt, die oft wunderschönen Dorfkirchen
Güllewagen – erinnert mich man an meine frühste Kindheit und den Roman »Unterleuten« von Juli Zeh
Beliebtes sozialistisches Baumaterial: Betonplatte – hier in horizontaler Anwendung …
Da staunt der »Wessi« – soviel Mut zum Schrulligen und Skurillen
Das 1934 in Betrieb genommene Schiffshebewerk Niederfinow ist das älteste noch arbeitende Schiffshebewerk Deutschlands …
… Blick ins Innere in Richtung höher liegendem Oder-Havel-Kanal …
… »Aufzugswanne« mit »Inhalt«
So ist es recht: links ist die Radstrecke fein asphaltiert, rechts die Autostraße mit holbrigem Schotter – da brauchts kein Tempolimit ;-)
Die Freude währt nicht lange, wenige Kilometer weiter: historisches Kopfsteinpflaster mit wildem Bypass auf der linken Seite
Kloster Chorin – Opfergabe für dieses Foto: vier Mückenstichen
Aus der Zeit gefallen, die alte Dorfstraße in Chorin
Wohlsein: Kiosk am historischen Bahnhof von Chorin
Radstrecke … danke dem Tunderburt-Reifen sind nur die Mücken ein Problem
Die Nornen – zwei der germanischen Schicksalsgöttinnen Urd, Werdani und Skuld, unverhofft anzutreffen in Althüttendorf
Ebenfalls in Althüttendorf – Ortlieb einmal nicht wasserdicht aber immerhin mit Bezug zum Fahrrad ;-)
Olfaktorische dominanter Reisebegleiter: Linden – allgegenwärtigen und meist mächtig groß
Qual der Wahl
Abstecher auf Neben-Nebenwege: Noch mehr Pampa …
Vielleicht typisch Uckermark und Meckpomm: noch gibt es Raum und Orte für alternative Lebensentwürfe
Schwer zugänglicher Wolletzsee
Angermünde Marktplatz

Nach Chorin wurde die Streckenführung nochmals abenteuerlicher: insbesondere durch die teilweise recht zerwühlten Forstwege, auf denen man wegen der Stechviecher bloß nicht zu langsam werden durfte. Ebenfalls mit von der Partie: viel Kopfsteinpflaster – wahrscheinlich Denkmalschutz – und so wurde ich trotz breiter Reifen ordenlich durchgerüttelt, da ich zu bequem war, den Luftdruck zu reduzieren.

Schon nach dem ersten halben Tag war ich daher froh, mit so einem untypischen »Tourenreifen« unterwegs zu sein und begab mich – mutig geworden – auf Abwege. Wie den vergeblichen Abstecher zum verrammelten Strandbad Wolletzsee. Erst beim Angler-Club gelangte ich für ein Foto überhaupt an das Seeufer – der Rest ist mit Datschen verbaut. Angermünde und mein etwas außerhalb liegendes Hotel waren etwas ernüchternd und konterkarieren den Hotelnamen »Flairhotel«.

Fazit nach einem Tag: der lockere Unterwegsmodus fehlt noch, die Landschaft, der Lokalkolorit, die Gerüche, die Strecke sind größtenteils traumhaft – gut hier zu sein.

Angermünde bis Seehausen – 105 km

Nach einem guten Frühstück musste ich von Angermünde zunächst wieder auf den Radweg zurück. Erwartet hatte ich eine langweilig-beliebige Transferstrecke, zu meiner Überraschung war es zwischen Angermünde, Herzsprung, Neukünkendorf bis nach Stolpe sehr, sehr schön. Die Wege, die Landschaft, die Vegetation und die skurrilen »Fundstücke« verbinden sich zu einem famosen Ganzen. Den stimmigen Anschluss bildet der kleine Ort Stolpe mit seinem Gras-umwogten Festungsturm samt schöner Aussicht auf das weite Odertal.

Bis nach Schwedt ging es mit Rückenwind immer auf dem Oder-Damm dahin, mitten durch ein riesengroßes Naturreservat, dem Nationalpark Unteres Odertal. Die vier Damen, mit denen ich während eines Fotostops ins Gespräch kam, erzählten mir, dass im Winter hier alles unter Wasser steht, da die ganze Fläche zwischen Kanal und Oder geflutet wird. Jetzt im Sommer unvorstellbar.

Fototagebuch II. Tag

Radweg – zwar nicht die offizielle Route, dafür schlicht vorbildlich
So von Asphalt gerahmt – quasi als »historisches Zitat« – ist Kopfsteinpflaster okay
Herrlicher – Radweg zwischen Herzsprung und Neukünkendorf
Geduldsprobe – sicherlich 15 Minuten habe ich darauf gewartet, dass der Sonnenfleck auf den Klatschmohn wandert, dann bin ich weiter gefahren ;-)
Gegensätze vis-à-vis: Wohn- und Lebensentwurf linke Straßenseite …
… Wohn- und Lebensentwurf linke Straßenseite im Detail …
… Wohn- und Lebensentwurf rechte Straßenseite
Flugzeug-Illusion der DDR-Maschine Typ152 – ist auch die Heimat der Gellmersdorfer Fulgvereins und von Wilfried Bergholz
Radschild hinter Gellmersdorf: wahrscheinlich kein offzielles StVO-Verkehrszeichen
Belagsvariante – der Thunderburt-Reifen und das Beton-Knochen-Pflaster mögen sich nicht besonders, aber allemal besser als in der Mitte zu fahren
Wunderschön gelegen, Stolpe am Rande des Nationalparks
Die »Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße« – was für ein Name – bei Stolpe
Radbekanntschaft auf dem Oderdamm – die Damen fahren nahezu jeden Tag ihre Runde, zum Teil bis zu 20-Frau-stark
Naturpark »Unteres Odertal« ein großräumiges (10.500 Hektar) deutsch-polnisches Schutzgebiet
Schwedt – nach der Schönheit des Naturparks nicht sehr einladend
Radweg hinaus aus Schwedt – was für ein Segen auf volumiosen Cross-Country-Reifen unterwegs zu sein
Hui jui jui …
Allen, Felder und Wälder in unendlichen Variantionen
Der Vertrag von Landin gilt als Geburtsstunde der Uckermark. Solche »Berge« fährt man am Tag locker 20 mal …
Herrlicher Radweg aber auch reguläre Verkehrsstraße (wäre fast beim Fotografieren von einem 7,5-Tonner überrollt worden) zwischen Heinersdorf und Landin
Nicht schön aber ein Stück authentische Geschichte, die immer noch in Benutzung ist
Ebenfalls Geschichte – Wirtschaftsgebäude des alten Gutshof in Pinnow, zirka 150 Meter Ziegelbauwerk am Stück
Saniertes Gutshaus in Pinnow
Malerischer Zerfall – bewohnt oder nicht bewohnt, die »Schüssel« deutet auf Leben
Fischteiche »Blumberger Mühle« mit Platzhirsch(schwan)
Nach 40 Kilometer darben, die Erlösung ;-)
… keine 300 Meter weiter die Konkurrenz – Sapperlot warum verteilen die sich nicht besser!
Originelle aber leicht zu übersehende »Ausschilderung«
Wunderschöne, uralte Baumskulpturen säumen immer wieder die Strecke
Deutliche Ausschilderung – hier geht‘s schließlich zur Hauptstadt
Ortsdurchfahrt von Warnitz (wurde gerade saniert) – mit dem Thunderburt-Reifen eine wahre Freude
Ein Empfehlung wert: Seehotel Huberhof
Schwimmnachweis ;-)

Bei Schwedt verließ ich den Radweg mit dem Plan, in der Innenstadt ein schönes Café zu finden – doch völlige Fehlanzeige. Nachdem ich 20 Minuten durch das Städtchen irrte, landete ich in einer trostlosen Bäckerei – Hauptsache Kalorien und Koffein.

Dennoch eine gute Entscheidung, denn erst nach 40 (!) km gab es in Steinhöfel eine Gelegenheit einzukehren. Dort kann man sehr privat auf der Wohnzimmer-artigen Hinterhof-Terrasse Platz nehmen. Gesellschaft leistete die beleibte Wirtin persönlich. Bis dahin war ich viel über schnurgerade Landstraßen aber auch unglaublich schöne Radwege gefahren. Inzwischen befand ich mich auf dem offiziellen Radfernwanderweg Berlin/Usedom, und nach Steinhöfel nehmen die Einkehrmöglichkeiten sprunghaft zu ;-)

Bis zum Oberuckersee bzw. zum Hotel nochmals reinster und ungetrübter Radreisegenuss. Am Ortseingang von Warnitz ein interessant aussehender Campingplatz, als Tipp für alle Camper. Das Seehotel Huberhof (würde man eher in Bayern verorten – Stichwort »Huberbuam«) entpuppte sich als gute Wahl: gepflegt, frequentiert und mit Steg in den See – ab zum Schwimmen :-)

Fazit: Ein toller, toller Tag. Inzwischen bin ich gelöster, sitze nach einer herrlichen Schwimmeinlage im schönen Hotelinnenhof, verdaue Salat, Hauptspeise, Dessert und die Tageseindrücke ;-)

Seehausen bis Neustrelitz – 105 km

Die Wolken hingen heute noch tiefer und kompakter – schade eigentlich. Ich radelte zunächst noch auf der Uckermark-Route, um dann eine »Abkürzung« zu nehmen, die aber landschaftlich keinen Nachteil bot. Bis nach Boitzenburg und seinem imposanten Schloss zog sich die Strecke dann etwas, leider hatte die vielversprechende Gutsbäckerei noch geschlossen. Das mächtige Schloss, so mitten im Nirgendwo, ist im übrigen kein Luxusressort oder gar Seniorenresidenz, sondern überwiegend ein Jugendgruppen-Hotel!

Mein nächstes Ziel war Fürstenwerder welches auf der Karte mit historischer Stadtmauer ganz interessant wirkte. Allerdings war die Strecke dahin ein wenig eintönig. Auf einer ehemaligen Bahnstrecke rollte man zwar auf gutem Belag, links und rechts allerdings viele monotone Maisfelder. Fürstenwerder als Ort war eher spröde, allerdings gibt es unten am See einen netten Park mit Badewiese. Bei schönem Wetter sicher schwer, wieder weg zu kommen. Bei Wind, 15 Grad und leichtem Niesel …

Fototagebuch III. Tag

Immerhin am Frühstückstisch »scheint« die Sonne(nblume) oder so was ähnliches
So eine Aufforderung lassen ich natürlich nie aus – Stichwort Vollformatknipse…
… »Schöne Aussicht« na ja – vieleicht bei Sonne und Abend- oder Morgenlicht
Neuer Radweg mit kapitalen Wurzelschaden, aber – so ein riesig-wichtigtuerisches Infoschild – mit Mitteln des Landes, der EU usw. gebaut
Relikte in den Weiten der Weizenfelder
Recycling – irgendwas muss man ja mit den alten Drahteseln machen
Radweg außerhalb der Allee, da können einem die »Todesbäume« (so wurden Alleebäume von den Automobilisten auch schon bezeichnet) nicht gefährlich werden ;-)
Imposant und den Sozialismus überlebt: Schloß Boitzenburg …
… Drehung um 180 Grad: Da hat die »Sozialistische Betonplatte« doch zugeschlagen ;-)
Boitzendorf: Viel historische Baulast für ein kleines Dorf, immerhin die Dachdeckung ist saniert, so hält der Rest noch eine Weile durch …
… und charmanter Umgang mit den Sanierungsfällen
Sapperlot, dass sieht mal wieder nach längerem »historischen« Belag und Gerüttel aus
Von wegen Berg und Tal – Der Radweg verläuft schnurgerade und eben auf einem ehemaligen Bahndamm, nix rauf, nix runter, aber auch kein Pflaster :-)
Agonie der Maisfelder, imposant lediglich die Bewässerungstechnik
Fürstenwerder Großer See: richtiger Ort, richtige Zeit, aber falsches Wetter
Bilderbuch-Allee ganz für mich allein – wie aus dem Fremdenverkehrsprospekt
Radfahrer-Horror: Frisch und dick gesplittete Landstraße – Was für ein Spaß mit dem Speedster und Thunderburt-Reifen :-)
Sonnendeck am Lütter See …
… und zugehöriges Seehotel Lichtenberg – schon eher Thomas-Mann-adäquat
Selbst bei schlechten Wetter lässt sich Schönheit des Feldberger Seengebiets erahnen …
… allerdings – brrrr – die Schwimm-Einlage fällt aus, bin schließlich im Urlaub
Höchste Zeit in ein Café zu flüchten …
… schließlich braucht auch das Smartphone eine Stärkung aus der Powerbank ;-)
Wellblechpiste in Deutschland – die Uckermark machts möglich :-)
Friedhof bei Triepkendorf – völlig unscheinbar und von Natur umrahmt wenn nicht gar verschluckt
Zentrale und einzige Straßenkreuzung in Hasselförde – da wird übrigens nicht saniert, sondern so sieht es da immer aus
Herrliches aber viel zu kurzes »Betongleis« zwischen Hasselförde und Gnewitz
Hübsche Ausschilderung, wenn man mit Navi fährt ;-)
Trödelladen in Gnewitz (glaube ich zumindest)
Letzter schöner Radstreckenabschnitt vor Strelitz-Alt …
… die Normalität der Agglomeration hinein nach Neustrelitz
Abendessen
Der Baumeister von Neustrelitz: Schinkel-Schüler und -Mitarbeiter F.W. Buttel
Noch ein Potentat: Großherzog Georg und im Hintergrund die Schloßkirche
Schloßstraße
Radhaus am quadratischen Marktplatz von Neustrelitz

Dafür war der weitere Streckenverlauf sehr abwechslungsreich und mit vielen kleinen Überraschungen gespickt. Nach Lichtenberg – da schwirrt mir doch gleich der Zauberberg durch den Kopf, obwohl der Ort überwiegend aus Biogasanlagen besteht – ging es ins Naturschutzgebiet rund um die den Kurort Feldberg umgebenden Seen. Eine herrliche Gegend. Den Auftakt machte ein liebevoll angelegter Waldpfad des Seehotels Lichtenberg – schon Thomas-Mann-adäquater. Das Lichtenberger Strandbad war verwaist; später traf ich immerhin noch zwei wetterfeste Paddler. Auf schattigen Waldwegen kam ich schließlich bis nach Feldberg, einem lebhaften und gut ausgestatteten Kurort, in dessen Kurcafé ich dann den schlimmsten Nieselregen aussaß …

Die letzten 35 km sollten unangenehm und holprig werden. Zirka 15 km Schotterstraße mit Wellblech dazu Nieselregen. Mir reichte es inzwischen, und so bekam die unschöne Streckenvariante über Altstrelitz nach Neustrelitz ihre Längen. Überhaupt, in einem Mittelzentrum wie Neustrelitz wird klar: im »Osten« und »Westen« fährt man in der Provinz Auto, egal wie niederschwellig und banal der Anlass ist. Immerhin, in dieser Hinsicht »ist zusammengewachsen, was zusammen gehört«.

Meine Unterkunft am Seeufer sah von außen nicht sehr einladend aus, aber das Zimmer war okay und im Restaurant gab’s dann Fisch satt. Mein Abendspaziergang durch Neustrelitz war ambivalent. Der Schloßgarten war entweder Baustelle oder etwas zerzaust, und die Innenstadt changiert zwischen Ambitionen und Überforderung; zwischen austauschbaren Wohlstandsbauten und Ruinen ab und an jedoch Mut zu Neuem, wie dem »Fabrik-Areal« … Vielleicht lag meine Moll-Wahrnehmung aber auch nur am trüben Wetter ;-)

Neustrelitz bis Gutshotel Linstow — 120 km

Das Wetter hatte sich etwas gebessert, also rasch gefrühstückt und ab aufs Rad. Bei Morgensonne ist Neustrelitz in der Tat deutlich attraktiver – mea culpa. Zuerst radelte ich an den unvermeindlichen Ausfallstraßen entlang – welch ein Lärm. Dann ging’s auf lange und abenteuerlich Kies- und Sandwege, die durch herrliche Wälder führten. Sehenswert ist der Park in Hohenzieritz, Sterbeort der Königin Luise von Preußen. Ein paar Pedaltritte weiter liegt das Jagdschloss Prillwitz am See, mit Badestelle und bizarrer Vogelinsel. Sehr abwechslungsreich, nur vorankommen geht anders … Immerhin sah ich heute auch mal andere Reiseradler. Was ebenfalls auffällt – MeckPomm ist wohlhabender geworden: die Neubaugebiete sind ähnlich nichtssagend-beliebig wie bei uns ;-)

Penzlin empfing mich mit einem schönen See und restaurierter Burg. Im Ortskern ist aber besonders deutlich sicht- und spürbar, welche gewaltige Aufgabe der Aufbau-Ost war und ist – Chapeau, auch wenn so manch neue Bausünde dabei ist …

Die Strecke bis Friedrichsfelde – mit dem Heinrich-Schliemann-Museum (Stichwort Troja) – verlief über herrliche, kleine und flott zu fahrende Landstraßen. Unterwegs mehrfach nette Cafés, wie auch hier am Museum. Ich radelte zügig weiter, die Beine und die Strecke machen es möglich. Unterwegs immer wieder das Schöne (meist das vorsozialistische Erbe) und Unvermeidliche (meist das sozialistische Erbe). Immer mehr wird mir klar bzw. kann ich nachvollziehen, dass der Wiederaufbau und das viele Geld, das in den Osten geflossen ist, tatsächlich »alternativlos« war und ist.

Fototagebuch IV. Tag

Startklar und tatendurstig ;-)
Beim Hinausfahren noch gesehen: Jugendstilgebäude in Neustrelitz
Eintauchen: Blick nach vorne …
… Blick nach unten …
… Blick nach oben
Hohenzieritz – Sommersitz und Luisengedenkstädte der Königin von Preußen.
Und immer wieder: Weite
Ehemaliges Jagdschloss Prillwitz, jetzt exklusives Hotel mit herrlichem Park
Kormoraninsel Kietzwerder
Durch Zufall entdeckt: Fahrradabstellanlage an einem Aussichtspunkt …
… und die zugehörige Aussicht
Großer Stadtsee bei Penzlin …
… Alte Burg Penzlin, berühmt vor allem wegen des Hexenkellers …
… Ortskern Penzlin: Wohnblock im astreinen DDR-Stil
Friedrichsfelde – Schliemann-Museum und ein wurmstichiger Nachbau des wahrscheinlich berühmtesten Pferds der Weltgeschichte
Eine der meist schöne gelegenen Dorfkirchen
»Grandcity« im Meck-Pomm-Nirgendwo – Das Werbeplakat bezieht sich tatsächlich auf die Häuser im Hintergrund …
Nicht sattsehen konnte ich mich an den herrlichen Alleen – welch ein grandioses Vermächtnis …
… Blick von außen …
… Blick in die Ferne
Mitten in einer Ansammlung von landwirtschaftlichen Nutzgebäuden versteckt: Schlosshotel Berdenfelde
Kontraste: linke Straßenseite …
… rechte Straßenseite
Gewaltig: Schloss Basedow eine der bedeutendsten Schlossanlagen Mecklenburg-Vorpommerns
Schloss Basedow
Hausee – ein ganz himmlischer Badesee direkt an der Route
Was dazu wohl die Landesbauordnung sagt ;-)
Weite und Leere …
Ziel in Sichtweite – irgendwo zwischen Ställen liegt das Gutshaus …
… Gutshaus Linstow – hier stimmt für mich einfach alles
Salat mit Wildkräutern – sehr lecker …
… Hauptgang – Ingredienzien habe ich vergessen aber köstlich
Die Gartenseite des Gutshaus’

Die nächste Pause machte ich ganz spontan im Schlosshotel Berdenfelde, einem herrschaftlichen Gutsgebäude im Tudorstil; dabei hatte ich das Schloss für mich allein. Ähnlich wie bei Berdenfelde steht man als Reisender nach Wald, Feldern und kleinen Dörfern plötzlich im »Schloss-Dorf« Basedow – einfach »wow«. Auf einer Bank im Schlosspark ließ ich das Ganze beim Müsliverzehr auf mich wirken.

Abgesehen von der Wellblechpiste am Zufluss des Malchiner See war die Strecke um den gleichnamigen See auf eine leise Art wunderschön, teilweise ging es nur noch auf gleisähnlichen Betonspuren dahin. Am idyllischen Haussee gab es – direkt an der Strecke – eine schöne Badewiese und kurzentschlossen sprang ich ins Wasser. Herrlich! Die Entspannung war goldrichtig, denn nach Ziddorf kam nochmals eine schmale, aber auch schöne Schotterpassage. Zwischen Großen Luckow und Hohen Wangelin viel Leere bzw. Landschaft. Am Orthsee nahm ich eine Abkürzung quer durch die Büsche, ich war nun ziemlich platt.

Ein famoser Tagesabschluss, mein Ziel das Gutshaus Linstow. Das mit viel Herzblut und Geschmack restaurierte Gutsgebäude beherbergt nun ein Hotel mit eher lockerer und informeller Atmosphäre, die anfangs kurz irritiert. Das Interior: ausgesucht und sehr reduziert (keine Glotze auf den Zimmern!), tolle Küche, die Gäste: viele Radfahrer und man kommt sofort ins Gespräch – Für mich ein Ort, um sich rundherum wohlzufühlen.

Gutshaus Linstow bis Lychen — 120 km

Die Nacht war gut und um acht saß ich nach einem Morgenspaziergang beim Frühstück, welches von der Auswahl überschaubar, aber von sehr guter Qualität war. Übrigens – Das ganze Arrangement, Essen, Getränke und Frühstück, hat 92 EUR gekostet – also jeden Cent wert.

Bis nach Waren ging es mal flux auf Asphalt, mal mühsam auf Schotter und Sand durch endlose Wälder. Ab Jabel nahm der Radverkehr sprunghaft zu und vor Waren wurde es immer mehr. Sehr viele Tagesausflügler – Waren scheint wohl eine Fahrrad-Tourismus-Hochburg zu sein und immer wieder schwer bepackte Reiseradler auf dem Weg zur Ostsee. Einer rief bei der Begegung voller Begeisterung: Oh, ein Velotraum! Ich war leider in der Abfahrt und zu schnell zum Anhalten. Auf dem Marktplatz in Waren die erste Pause – was für ein Trubel, aber bis Neustrelitz kommen ja gleich wieder 40 km Wald ;-)

Fototagebuch V. Tag

Morgenstimmung am Linstower See, nur ein paar Meter vom Gutshaus entfernt
Gäste- und Frühstücksraum im Gutshaus
Wald, Wald, Wald – die einzige Abwechslung ein kreuzender LKW ganz vorne am Horizont ;-)
Nach 20 Kilometer die ersten Radfahrer respektive E-Mountainbiker ;-)
Der erste Badeplatz ist belegt und mit Tretminen in Form von Entengrüze gespickt
Waren von der Seeseite – als hübsch neu und saniert aber auch irgendwie steril
Belebt und bei Touristen beliebt, die Innenstadt von Waren
Pech gehabt – bei einem hungrigen Radfahrer bleibt kein Krümel übrig
Ein paar Kilometer weiter am Feisnecksee dominiert schon wieder die kontemplative Ruhe
Kontraste auf engstem Raum: Die alte Fabrik muss wohl weiteren Neubauten weichen …
… wie rechterhand bereits anzutreffen …
… während die Datsche linkerhand mit Perserteppich fürs Auto, wohl ewig überdauern wird ;-)
Und schon wieder vom Wald verschluckt. Die schmalen Waldwege waren im übrigens gut zu fahren …
… unangenehm waren die Schotterpisten, die auch offizielle Verbindungsstraßen sind
Noch ein Campingplatztipp j.w.d.: der kleine Campingplatz Klockow
Wunderschöne und uralte Eichen am Wokuhler Weg nach Gnewitz
Sapperlot – wo Europa überall inverstiert …
… Themenzimmer im Gästehaus mein.Lychen, ich war, wie unschwer zu erkennen in der Schweiz untergebracht – So erklärt sich auch der Preis ;-)
Lychen ist von Seen umgeben …
… und die Reize, von der Lage einmal abgesehenen, wollen entdeckt werden …
… zum Beispiel bei einem Abendspaziergang

Scheiß Schotterstraßen – Vom Müritz-Nationalpark habe ich nicht viel gesehen, aber viel gespürt. Während die schmalen Kieswege gut zu fahren sind, waren die breiten Pisten vor und nach Klockow auf die Dauer sehr strapaziös: Schlaglöcher plus Wellblech. Dazu auch noch ein Plattfuß am Vorderrad, immerhin direkt am Käbelicksee, da wurde aus der Reparaturpause gleich noch eine Badepause.

Endlich in Neustrelitz und den Touristentrubel vom Café aus genießen. Dabei entdeckte mich bzw. zuerst mein Fahrrad ein anderer Radler und, wie sich herausstellte, Speedster-Fahrer. Er war ganz begeistert, hier den »Chef« persönlich zu treffen.

Die restliche Strecke zog sich, zumal ich die gleiche Schotterstrecke vor zwei Tagen schon mal hinter mich gebracht hatte. Danach wurde es zwar nochmals schön und die Radstrecke vom feinsten, aber ich war einfach müde und beide Knie schmerzten – so ein Scheiß aber auch. Nach einer gefühlten Ewigkeit dann endlich Lychen. Mein EU-gefördertes Gästehaus lag leider direkt an der Durchgangsstraße. Von außen eher unscheinbar, innen war aber alles stilvoll und vom Feinsten. Lychen selbst gehört zu den aufstrebenden Tourismusorten, versucht auch auf Exklusivität zu setzen und es gibt, mit etwas Entdeckerwillen, auch einige wirklich schöne Ecken.

Lychen bis Tiefensee — 60 km

Ein schwarzer Samstag – Habe ganz gut in der Schweizer Enklave geschlafen, und das gemeinsame Frühstück mit den anderen Gästen entwickelte sich nach zähem Anfang ganz gut, von der Hausherrin erfahre ich viel über die Gegend und die phantastischen Möglichkeiten, die Seen mit dem Kajak zu erkunden.

Beim Losradeln meldeten sich dann beide Knie, insbesondere das Rechte. Noch gab ich mich der Illusion hin, das gäbe sich beim Warmfahren – tja, mit 30 war das noch so. Hinter Merkels Heimatstadt Templin geht dann nichts mehr. In der Absicht, das Knie zu entlasten, stimmte die ganze Sitzposition nicht mehr und im unteren Rücken »flog« was raus … Bahn, Bus usw.: Fehlanzeige. Irgendwie war ich dann noch bis Tiefensee zurückgekommen und dann noch bis nach Hause …

Fototagebuch VI. Tag

Fazit

Mal von dem schmerzhaft-traurigen Ende abgesehen, war meine Uckermark-Meck-Pomm-Runde eine herrliche Radreise und ein lohnendes Reiseziel. Sofern man es bei den Tagesetappen nicht übertreibt, werden topografisch keine besonders hohe Anforderungen gestellt. Meine Etappen waren eindeutig zu lang, um mehr in die Geschichte und die Gegenwart sowie die Naturparks einzutauchen. Es wäre daher durchaus reizvoll, sich eine kleinere Region auszuschauen und diese intensiver zu beurlauben – in jedem Fall breite Reifen aufziehen ;-)

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