Selbst bei hochwertigen Komponenten und sorgfältiger Montage gibt es ein gewisses »Restrisiko«.
Bei Qualitätsprodukten sind es jedoch weniger klassische Qualitätsmängel das Kernübel, sondern eine unübersichtliche Gemengelage aus Nutzerverhalten und blinder Technikgläubigkeit.
Das Wichtigste vorweg: Bei beiden Defekten ist niemand zu schaden gekommen und solche Fälle tauchen äußerst selten auf. Aber sie sind eine gute Gelegenheit auf die bereits erwähnte »Gemengelage« einzugeben.
Carbonriemen
Den Anfang machte der Riss eines Gates-Carbon-Riemen. Laufleistung zirka 5.000 Kilometer und knapp zwei Jahre alt. Die Ursache für den Riss ist unbekannt. Der Importeur vermutet eine Strukturbeschädigung durch Fehlbelastung: zu geringe/zu hohe Spannung, Verdrehen, Gewalteinwirkung, Schräglauf …. Der Kunde wiederum hat keine Erklärung, wann und wie die Strukturbeschädigung zustande gekommen sein könnte. Von unserer Seite können wir nur versichern, dass sich die Riemenlinie im Bereich des vom Hersteller vorgegebenen Toleranzbereich bewegte. Alle anderen Aspekte können wir nicht beurteilen. Letztendlich bleiben viele Fragen offen – eine für alle Seiten unbefriedigende Situation.
Resümee: Carbonteile sind smart, extrem belastbar und haltbar, solange die Struktur nicht beschädigt wird. Um das zu bemerken oder gar zu beurteilen, braucht es eine gewisse technische Sensibilität und Wissen um die Eigenschaften von Carbonbauteilen. Realistisch betrachtet dürften dazu nur wenige Kunden in der Lage sein … Dass dennoch äußerst wenige Schäden bei Carbonriemen auftreten, zeigt, dass die Technik über eine erhebliche »Redundanz« verfügt ;-)
Shimanokette
Etwas einfacher ist die Einschätzung der gerissenen Kette. Hier sind die Innenlaschen bei einer Shimano HG701-Kette gebrochen, wahrscheinlich eine Kombination aus Ermüdungs- und Gewaltbruch. Ein extrem ungewöhnliches Schadensbild, denn meistens »reißt« ein Kette nicht, sondern es geht eine Nietstelle auf. Dabei verschlechtert sich im Vorfeld das Schaltverhalten, so dass man ein Chance hat, den Schaden zu bemerken.
Schaltungsketten sind beachtlichen Belastungen ausgesetzt, denn die Kette wird beim Rauf- und Runterschalten extrem belastet. Dabei sind die reinen Zugkräfte vergleichsweise unproblematisch, die Verwringung unter Maximalbelastung – z. B. schalten im Wiegetritt – ist das Problem. Beim Pedelec addieren sich zudem Bein- und Motorkraft. Kurzum, es ist wirklich erstaunlich, was moderne Schaltungsketten so wegstecken. Allerdings sollte man auch um deren Grenzen wissen!
Die Kette stammt aus einem FD2E-Pedelec, das nur gefahren – gerne im Wiegetritt – und nur sehr wenig gewartet wird. Zudem wurde die Kette weit über die Verschleißgrenze hinaus gefahren, so zirka 4.000 bis 5.000 Kilometer hatte diese Kette auf dem Buckel. Woher wir das so genau wissen: Die Kette stammt aus dem Fahrrad des Chronisten …
Resümee: Wer Schaltungsketten gerne mal bis »Ultimo« fährt, sollte sich vergegenwärtigen, dass das häufig gut gehen kann, aber nicht muss. Die Kundendienstintervalle – einmal im Jahr oder alle 2.000 Kilometer – sind keine Geldschinderei, sondern schlichte Notwendigkeit. Dabei wird auch der Verschleiß der Kette gemessen, was wiederum indirekt Rückschlüsse auf deren Belastbarkeit zulässt. In Anbetracht der unzähligen Schaltungsketten, die seit Jahrzehnten (!) im Einsatz sind, darf auch der Kette – noch mehr als dem Carbonriemen – eine hohe »Redundanz« unterstellt werden, zumindest bei »normaler« Beanspruchung ;-)
Kommentare
Wow, imposantes Ketten(schadens)bild. Bin besonders beindruckt von der pastösen Masse auf der Kette; ich nehme an das ist so gewollt und dient der Schalldämpfung :) Meine Serviceintervalle sind allerdings auch ziemlich gross, da sollte ich wohl meinen Spott auch schalldämpfen.
Kettenriss gabs in meiner Radkarriere zweimal, einmal an der Niete (am 200 Dollar Mountainbike in der sandigen Steppe Patagoniens) und einmal durch ein sich lösendes Kettenverschlussglied einer KMC Kette. Beides mit einem Kettennietdrücker und viel Geduld beim wieder reinpfriemeln der Niete zu beheben und mit einer Vorfallhäufigkeit von einmal pro 15 Jahre bzw. alle ~90’000 km zum Glück sehr selten. Spricht aus meiner Sicht für die Robustheit der Kette.
Unglaublich, das Schadensbild beim Gates-Riemen. Da muss ich mich mal zu Wort melden. Mir als begeisterndem Riemen-Fahrer und Velotraum-Fan ist das einfach unerklärlich. Ich selbst fahre seit gut eineinhalb Jahren ein VK12 (Konzept mit Pinion P1.18) mit Gates-Riemen. In dieser Zeit habe ich mehr ca. 5.500 km zurückgelegt – sowohl bei Sonnenschein als auch im Winter bei Eis und Schnee. Von dem Gates-Riemenantrieb bin ich sehr begeistert. Saubere Sache, wartungsarm, sehr robust, wetterunempfindlich. Auch bei Extrembedingungen: Regen auf Schotter/Sand/Matsch oder im Winter auf Schnee, der Vortrieb klappt reibungslos. Die Pflege erfolgte einfach mit Wasser und Lappen – fertig. An den Zähnen sieht man selbst jetzt noch die blaue Farbe und erkennt keinerlei Abnutzung. Daher “Daumen hoch” für diese Kraftübertragung.
Ich kann mich Lars nur anschließen. Mein VK12E mit Pinion C12 hat jetzt fast 17.000km runter. Geschont wurde es nie: Pendlerrad bei Sonne, Regen, Eis und Schnee, Lastenrad, Reiserad. Im Winter auf (gesalzenen) Straßen, von Frühjahr bis Herbst meist auf Schotter im Wald unterwegs. Da wickelt es auch schon mal einen Ast zwischen Riemen und Riemenscheibe. Auch der eine oder andere Sturz bei Glatteis. Schaltwerk und Kette hätten da schon längst kapituliert. Die Riemenscheiben sehen noch aus wie neu, der erste Riemen zeigt so langsam leichte Abnutzungsspuren, werde wohl im Frühjahr einen neuen montieren. Meine Frau hat mittlerweile ebenfalls 15.000 sorgenfeie Gates-Kilometer runter.
Bei der Bestellung der Räder im Herbst 2016 war ich noch skeptisch: lohnt sich der nicht unerhebliche Aufpreis? Wie ist mit den spontanen Abrissen, von denen man immer wieder liest? Will ich wirklich Versuchskaninchen für eine neue Technologie sein? Das erste Jahr hatte ich immer einen Ersatzriemen nebst 40er Torx-Schlüssel für das Rahmenschloss in der Packtasche, sehr zur Belustigung von Velotraums Werkstattleiter Markus. Mittlerweile ist die Skepsis gewichen und ich freue mich gerade im Alltag über die Null-Wartung. Das Pinion-Getriebe kann seine Vorteile eigentlich erst in Kombination mit dem Gates-Antrieb voll ausspielen.
Diesen Sommer, nach vielen Kilometern auf staubtrockenen Waldwegen, erlaubte es sich der Riemen doch tatsächlich, unfeine Knarzgeräusche zu machen. Etwas Silikonspray und alles läuft wieder rund.
Nun gut, die Diskussion hatten wir ja bereits im Mai. Bisher habe ich es nicht geschafft eine Kette zu schrotten oder einen Riemen zu zereissen. Aber ich gebe auch zu, ich wechsle lieber mal eine Kette als allzuviel Zeit in die Pflege zu investieren.
Ein Kettenriss bei bei einer Kettenschaltung ist zwar ärgerlich könnte ich aber noch mit meinem Bordmitteln lösen und dort wo dies nicht so einfach möglich wäre, z. B. beim Tandem, ist im Servicepack auch immer ein Kettenstück dabei.
Im Alltag setze ich in der Zwischenzeit allerdings voll auf die Riemenlösung. Wenn man es nicht ausprobiert hat kann man nicht mitreden. Ich denke die meisten schrecken beim Preis für die Riemenoption zurück. Aber nüchtern betrachtet ist diese Lösung nicht wirklich teurer. Mein Alltagsfinder dürfte in der Zwischenzeit rund 15000 Km auf dem Tacho haben, immer noch mit dem ersten Gates Riemen. Noch wichtiger, Pflegeaufwand nahezu null.
Auch im Reisebereich setzen wir im der Zwischenzeit auf die Riemenlösung. Ich gebe zu, wir haben auch immer einen Ersatzriemen dabei. Vermutlich nicht so wie es sich Gates vorstellt, aber selbst offiziellle Gates You Tube Videos zeigen wie man den Riemen handlich falten kann.
Nun noch eine kleine Bemerkung zu Pinion und Kette, hier findet die Übersetzung bereits im Getriebe statt und man kann zuschauen wie die Kette immer länger wird. Eigentlich ertsaunlich, dass man wenig dazu findet.
@Anderas:
bei deiner Kostenkalkulation fehlen auf der Kettenseite noch die unrettbar eingesauten Hosen. ;-)
Ich habe den Riemen auch immer gefaltet. Jeder Schreiner weiß, wie man ein 3m-Bandsägeblatt handlich zusammengefaltet bekommt.
Spannende Geschichte. Ich bin ebenfalls Ganzjahresradler. Auf meinem alten Mounti hielten Die Ketten ~5000 km durch bei ca. 75% Sandwege. Mit meinem neuen Rad und deutlich anderem Arbeitsweg mit ca. 90% Asphalt bin ich jetzt mit der ersten Kette bei 10000km nach 2 Jahren und sie läuft immer noch. Würde mich als Wenigputzer bezeichnen, sprich geölt wird nach Gehör und gefühltem Rundlauf. Dreck ist halt der Killer von den Dingern. EinWsrtungsintervall von 2000km wäre für mich persönlich übertrieben aber kann je nach Strecke und Fahrverhalten schon angebracht sein.
“Ketten” von Shimano kenne ich nicht anders – nur im gerissenen Zustand wie abgebildet. An meinen Rädern sind nur Ketten von KMC, X8 und X9. Diese halten jeweils 8000km, erst dann ist Feierabend.
Hallo,
also bei der Kette muss man unterscheiden zwischen Kettenschaltung und Nabenschaltung und da ist es so das bei Rohloff und Kette die Längung überhaupt keine Rolle spielt. Meine Kette war einmal etwas nachgespannt und das ist alles hat so schon 20000 KM funktioniert. Durch die Längung werden natürlich die Zähne abgenutzt sodass man dann bei einer neuen Kette alles tauschen muss. Wenn der Riemen nicht korrekt gespannt ist kommt es gerade am Berg zum Übersprung. Der Riemen ist sehr haltbar aber nicht wartungsarm dass ist einfach ein Märchen
@Horst: Einspruch euer Ehren – so generell kann man dem Riemen die Wartungsarmut nicht absprechen; Ich hab meinen gerade gewechselt, nach 5 Jahren und 25000km und ich musste ihn nicht ein einziges Mal nachspannen und ich hätte locker noch 10000km gemacht (ich benutze die aus dem vollen gefrästen Riemenscheiben), da aber grad die Garantieverlängerung des Getriebes fällig war, hab ich ihn auch grad gewechselt … Und mehr als ein- bis zweimal im Jahr zusammen mit dem Velo abspritzen musste ich nie. Auch das mit dem Spannen ist eher eine Urban legend, denn erstens sollte er vom Händler mit der korrekten Spannung daherkommen und zweitens, zumindest beim CDX, mag’s extrem lose Spannung vertragen bevor er springt. Ueberspannung hingegen ist halt schlecht für die Lager.
Das einzige, was man dem Riemen anlasten kann, ist dass die Fluchten unbedingt stimmen müssen und der Rahmen stabil genug stabil gebaut ist, sonst hat man in der Tat Aerger.
Meine Erfahrung mit Rohloff + Gates-Carbonriemen: Der erste Riemen war nach ca. 11.000 km “ausgelutscht”, obwohl er schon einmal umgedreht war. Der zweite Riemen ist 24.000 km später an Zahnausfall gestorben: auf einer Länge von sicherlich 40 cm sind von “jetzt auf gleich” die Zähne ausgebrochen. Ich finde den Riemen trotzdem gut: 35.000 km, davon etliche auf nicht asphaltierten Wegen, und praktisch ohne Pflegeaufwand, sind mit nur zwei konventionellen Fahrradketten nicht machbar.
Ich musste gerade die Erfahrung machen, dass der Riemen bzw die Riemenscheiben in bestimmten Arten von Schlamm zum Problem werden können, nämlich wenn der Schlamm klebrig und mit kleinen Steinchen durchsetzt ist. Dann kann der Schlamm nicht herausgedrückt werden, die Riemenspannung erhöht sich, und der Riemen springt über. So ist es mir passiert, und er ließ sich nur mit äußerster Gewalt wieder aufspannen.Wahrscheinlich ist er dabei, von außen nicht sichtbar, beschädigt worden, aber er wird sowieso bei nächster Gelegenheit gegen eine Kette getauscht.
Jetzt ist mein Riemen gerissen, nach circa 500(!) km. Auch wenn er wohl misshandelt worden ist, sollte man doch bedenken, wie leicht das im Alltag passieren kann, etwa im Fahrradständer oder beim Transport in der Bahn!
Ein anderes (für mich) wesentliches Argument gegen den Riemen ist die Empfindlichkeit bei Lagerung, siehe Gates-Merkblatt.
Ich habe immer gerne Ersatzteile zuhause lagernd, aber habe keine Lust mich um “Verfallsdaten” zu kümmern etc. Momentan verwende ich einen “Hebie Chain Glider” als Kettenschutz. Den finde ich vor allem im Winter genial. Einmal reichlich mit Oil of Rohlof geölt kann ich mindestens 1000 km fahren ohne dass Kettengeräusche oder ein merklicher Widerstand entstehen (trotz reichlich Schlammbewurf vom Vorderrad). Nachölen kann man sogar auch durch ein kleines Loch von oben ohne den Glider zu demontieren (was aber auch nur ein paar Minuten dauert).