Unlängst mäanderte der Chronist mit dem Rad durch die heimischen Gefilde und entdeckte dabei eine neue Radweg-Ausschilderung an überraschender Stelle.
Gegenüber der Einfahrt ins Monachtal weist ein funkelnagelneues Radwegeschild in den Wald hinein. Also flugs die Bundesstraße überquert, kurz noch Mapout befragt, und siehe da: die neue Radstrecke hatte wohl den »Rattenkönig« zum Ziel und da wollte ich eh hin.
Anfangs war da noch ein mittelprächtiger Forstweg (mit dem E-Finder keine Herausforderung), nach der ersten Biegung verwandelte sich die Radstrecke in in einen Rückweg der übelsten Sorte – auch mit dem E-Finder eine Herausforderung.
In solchen Situation oszilliere ich zwischen Weinen, Lachen, Achselzucken und Hypertonie … Allein der Gedanke daran, dass jemand diese Ausschilderung mit Steuergeldern geplant, genehmigt und umgesetzt hat … Freilich den »Forst« scheint das alles nicht zu interessieren: Hä »Radstrecke«, dass sind unsere Wege, denen zeigen wir mal was ein Harke bzw. ein Harvester ist.
Tja so schnell wird man zum Verschwörungstheoretiker … Wie gut, dass man sich auf dem Fahrrad den Mist gleich wieder von der Seele strampeln kann, zumal es sich »nur« um eine reine Freizeitstrecke handelt.
Eigentlich hatte der Chronist dieses »Abenteuer« bereits vergessen, wäre da nicht das aktuelle und großkotzige Getöse der Politik in Sachen Fahrrad, meine alltäglichen Erfahrungen auf den Pendlerstrecken der Region sowie ein aktueller Artikel aus der FAZ.
Ob die Analyse von Hans-Heinrich Pardey nun Trost spendet (Schilda ist überall) oder Schnappatmung verursacht mag jeder mit sich ausmachen, aber der kurze Artikel bringt es ganz gut auf den Punkt: »Wie gut hat es da der Bundesverkehrsminister Scheuer: Der kann die Republik zum Fahrradland ausrufen und mit Millionen des Bundeshaushalts winken.«
Die hiesige, grüne Landesregierung agiert da leider auf ähnlicher Flughöhe, in dem es flächendeckend Forst- und Landwirtschaftswege ausschildert und zur Radstrecke adelt …
Freilich vor Ort ducken sich die überforderten und/oder unwilligen Kommunen weg und die frustrierten Alltagsradler knirschen mit den Zähnen …
Kommentare
Nun gut, ich hatte ja auch den den “Pendlerstecken der Region” Post kommentiert. Aber dieser Blog Beitrag, war dann doch überraschend deutlich. Herr Scheuer ist derzeit nicht für das Radwegnetz von BaWü zuständig, darf gerne gehauen werden und ist hoffentlich bald auch Geschichte.
Ich denke die Pandemie hat ganz gut offen gelegt wo unser Problem ist. Zuständigkeiten zwischen Bund, Land, Kreis und Gemeinde werden hin und her verschoben und eigentlich möchte niemand für die Konseqenzen verantwortlich gemacht werden. So lange dümpelt man im Niemandsland umher und selbst wenn jemand aus dem Busch auftaucht, der jetzt alles anders machen möchte, hat er es schwierig. Die Zuständigkeiten, die bisher alles verhindern, sind klar geregelt. Selbst wenn heute umgesteuert würde, vergehen vermutlich Jahre bis wir eine Verbesserung sehen.
Eigentlich geht es hier ja um Fahrräder und nicht um Politik, aber nach so einem Blog Beitrag sollte das gestattet sein. Und ganz ehrlich, mir gehen die Veränderungen genauso, wie Stefan zu langsam.
Ja, dem kann auch ich nichts entgegensetzen. In Dresden plant man eine wichtige Verkehrsachse neu, Platz ist mehr als genug vorhanden. Die Straßenbahn bekommt ihr eigenes Gleisbett (sehr gut), die vier Fahrbahnen bleiben. Geh- und Radwege werden bis auf Mindestmaß verkleinert. Nur ein Beispiel …. von so vielen. Leider werde ich persönlich die notwendigen Veränderungen nicht mehr erleben. Das macht mich traurig und hat mich längst resignieren lassen. Die Mehrheit unserer Mitmenschen möchte keine Veränderungen und das müssen wir zähneknirschend akzeptieren.
Jeder Fahrradfahrer kennt leider hunderte solcher Stellen. Hier am letzten Rest des bayrischen Untermains ist abwechselnd der Radweg mal links oder rechts des Mains so schlecht, das man nicht drauf fahren kann oder inexistent oder bei Hochwasser überflutet. Der grüne Landrat würde gerne die Lücken schließen wird aber oft von den Kommunen ausgebremst. Ergebnis: der einst beliebte Fernradweg rutscht immer weiter im Ranking runter und Bundes-Andi, dessen Bilanz für durchschnittliche 8-9 Rücktritte (Spon, vor einiger Zeit)) reichen würde, wird im September als Passauer Direktkandidat wieder in den Bundestag einziehen und wahrscheinlich auch noch nächster VDA-Präsident.
In der FAZ erscheint zwar der Artikel von Herrn Pardey, aber eben auch am 15. 5. ein wunderbarer Artikel zum Kritik- und Lebensverständnis von “Grünen”, denn “Eine Umfrage zeigt: Niemand fährt so gerne Geländewagen wie die Öko-Klientel. Ausgerechnet. Das Phänomen hat System.” Nun vielleicht kommen sie ja besser auf diesen Wegen voran, und wenn das Fenster heruntergekurbelt wird, kommt auch noch die Natur herein.
@Werner: Bevor nun alle auf die Grünen eindreschen möchte ich eine Lanze für all diejenigen brechen, die in den Städten und Gemeinden sich ehrenamtlich dafür engagieren, dass sich etwas bewegt. Speziell beim Thema Fahrradinfrastruktur wird diese undankbare Sisyphusarbeit sehr häufig von Mitbürgern aus dem Grünen-Umfeld angegangen, so auch in Bad Liebenzell. Und denen tut man schrecklich unrecht, wenn man Sie mit Klischees, die natürlich immer einen wahren Kern haben, in einen Topf wirft.
Das diese Sisyphusarbeit dennoch Früchte tragen, dafür steht Veloträumer Roland, der als ADFC-Aktivist viel in seiner Heimatgemiende Böblingen bewegen konnte.
Hallo zusammen,
als Planer von Radwegen kann ich zu den Grünen sagen, dass sie gespalten sind. Es streiten sich in der Partei die, die sich für die Verkehrswende engagieren mit den Naturschützern, die jede Asphaltierung eines Radweges mit allen Mitteln zu verhindern versuchen.
Außerorts gibt es unzählige Schutzgebiete (für den Laien nicht immer erkennbar: Naturschutz, Landschaftsschutz, Vogelschutz, unzählige Einzelbiotope, Wasserschutz, Überschwemmungsgebiet, Gewässerrandstreifen etc.) und die bieten über immer aufwändigere Auflagen sehr gute Ansätze um jede vernünftige Radinfrastruktur zu verhindern. Sämtliche Naturschutzverbände haben ein Recht auf Anhörung und geben Stellungnahmen ab (zum Glück meist gebündelt, weil sie sich eh einig sind: dagegen).
Die Hauptarbeit, die auch enorm Zeit kostet, bei einer Radwegplanung außerorts besteht darin die Genehmigung für den Ausbau zu erhalten, wofür dann Ausgleichsmaßnahmen zu planen sind. Als erstes wird immer vorgeschlagen einen Weg gleicher Fläche als Ausgleich zu entsiegeln, womit natürlich von den Betroffenen keiner Einverstanden ist. Auch die Landwirte, die immer mehr bedrängt werden (Ausweitung Gewässerrandstreifen, Düngeverbote, Bieber, etc.) sind nicht mehr bereit Grund zu verkaufen, den man dann für ein Biotop nutzen könnte. Bei uns komme ich noch am besten mit dem Forst zurecht und kann dann am Waldrand Eidechsenhabitate anlegen (der Laie fragt sich dann ob die Stein- und Sandhaufen Reste der Baustelle sind).
Am schwersten sind Radwege, die entlang eines Gewässers führen. Da braucht es dann oft noch einen Retentionsausgleich (wenn ich einen Radweg etwas höher baue, so dass er nicht bei jeder kleinen Überschwemmung überflutet wird, dann muss ich an anderer Stelle etwas abgraben oder einen bestehenden Damm öffen so dass das Retentionsvolumen erhalten bleibt) und Regierungspräsidien sind über ihre Gewässerabteilungen bestrebt Grundstücke in Gewässernähe aufzukaufen um dem Gewässer mehr Raum zur Entfaltung zu ermöglichen. Das wird alles extrem komplex und der Weg führt meist nicht so direkt wie man sich das als Radfahrer wünschen würden. Letztlich wird es auch sehr teuer, wobei es derzeit wirklich gute Förderungen gibt, die es aber für die Bauherren widerum komplizierter machen, denn Fördergeldschöpfung ist auch wieder eine große Arbeit und es fehlt zunehmend Personal auf den Ämtern. Wenn man Förderungen möchte, dann sind die Richtlinien noch schärfer und ich musste z.B. für einen Radweg außerorts an einer Straßenquerung noch differenzierte Absenkungen und ein taktiles Leitsystem für Blinde einbauen.
Hier ein schönes Beispiel was dabei rauskommen kann: :-)
Hallo Stefan,
ich bin immer wieder verwundert, wenn ich Dein Rad sehe. Da macht ihr wirklich schöne Räder und montiert vorne Schutzbleche mit Spritzlappen, die diesen Rädern nicht würdig sind.
Eure vorderen Schutzbleche sind zu kurz. Da spritzt das Wasser und der Dreck nach vorne, wenn es sich am Hochpunkt vom Reifen löst, wird vom Luftwiderstand abgebremst und fällt einem dann buchstäblich vor die Füße. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass die Schutzblechhersteller noch nie mit ihren Produkten bei Regen gefahren sind.
An meinen Velotraum-Rädern (Tandem und Tourenrad) habe ich gezwungenermaßen vorne Hinterradschutzbleche angebaut, die das Spritzwasser vorne und unten auffangen. Details für ein optimiertes Vorderradschutzblech habe ich Dir vor ein paar Jahren zugesandt, als ihr begonnen hattet, Schutzbleche anfertigen zu lassen. Du meintest allerdings, das würde niemand kaufen.
Über Geschmack kann man sicher streiten, aber ich finde bei meinen Rädern sieht das Ganze gut aus – besser als mit den Spritzlappen. Und wenn man das Fahrrad als Lebensmittel versteht, sollte man auch möglichst optimal durch schlechtes Wetter kommen und den Kontakt mit Spritzwasser auf ein unvermeidbares Minimum reduzieren.
@ Henning: Vielen Dank für diese aufschlussreichen Einblicke – toll. Sie decken sich mit meinen unlängst gemachten Erfahrungen.
Im letzten Herbst hatte ich einen »Brandbrief« an die hiesigen Gemeinderatsfraktionen, die Presse und das Landratsamt geschrieben und die unsägliche Fahrradinfrastruktur illustriert. Das Echo war durch die Bank positiv. Ernüchternd war allerdings ein längeres Telefonat mit dem zuständigen Mitarbeiter des Landratsamts, der mir auseinandersetzte (bzw. sein Leid klagte), wie beschränkt die Ressourcen sind, wer da alles mitredet und welche Belange alle berücksichtigt werden müssen – gefühlt alle außer denen der Radfahrern ;-)
Daher Chapeau vor allen, die diese dicken Bretter bohren.
Vielleicht noch eine Frage an Dich: Gibt es aus deiner Sicht ein paar Tipps, wie man als engagierter Bürger und Alltagsradfahrer dennoch Einfluss nehmen kann um aus der Ohnmacht raus zu kommen?
@ Thomas: Da hast Dich sicherlich recht, über Spritzlappen kann man unterschiedlicher Auffassung sein, ich persönlich schätze deren Flexibiltät ;-)
Gerne würden wir noch mehr Schutzblechtypen anbieten, aber die zunehmenden Mindestbestellmengen (aktuell 200 Paar) machen uns das betriebswirtschaftlich unmöglich. Zudem ist meine Erfahrung, dass ab einem gewissen Tempo und Zustand des Untergrunds, der Dreck und die Nässe auf Mensch und Matrial landen, egal wie weit vor- und runtergezogen die Bleche sind.
Damit wären wir wieder beim Thema: Ein guter geplanter und ausgeführter Radweg (Entwässerung) würde mehr bringen. Schließlich befestigen wir auch Gehwege und fordern nicht die Fußgänger auf Gummistiefel zu tragen ;-)
@Stefan: Leider gibt es keine einfachen Möglichkeiten etwas zu erreichen. Auch als Bürger muss man dicke Bretter bohren um etwas bewegen zu können, die Politik reagiert vor allem auf größere Gruppen.
Man kann sich an Gemeinderats- oder Kreistagsmitglieder wenden mit einem Wunsch. Der gelangt dann in der Regel zu Beantwortung an ein Fachamt. Hat das Fachamt Interesse etwas in dieser Richtung zu tun, dann kann es die Anfrage zum Anlass nehmen ein Projekt zu Initiieren.
Ein allgemeiner Brandbrief mit zig schlechten Stellen kann die Situation aktuell darlegen.
Besser aber ein ganz konkretes Projekt vorschlagen und da genau erläutern was man will und am besten ein Vergleich mit einer Nachbarkommune aufführen, die da schon weiter ist oder wenn es z.B. eine Strecke im RadNETZ ist, aufzeigen, was dort Standard sein sollte.
Hi,
ich war mal ein paar Jahre im Gemeinderat… und es war sehr ernüchternd. Kreative Ideen wurden von verschiedenen Seiten ausgebremst, angefangen von der alteingesessenen “Dorfmafia” (Zitat: des hemmer scho immer so gmacht bzw. des braucht mer ned) über den Bürgermeister bis zur Kreisverwaltung. Also wenn man hier was erreichen möchte, braucht es wirklich einen langen Atem.
Was die Radwegsituation angeht: ich fahre eh möglichst weg von der Straße auf Forst- und Landwirtschaftswegen. Deshalb breite Reifen drauf, Schutzbleche höher gelegt und abgesägt. Geht gut, nur muss man sich dann nach der Fahrt umziehen. Mit Lederslipper und weißer Hose komm ich nirgends sauber hin :-) Ist halt alles eine Frage der Einstellung.
LG Guido
Aber die Radwegsituation, in einem Bundesland mit grünem Ministerpräsidenten, muß sich doch, in den letzten Jahren, dramatisch verbessert haben!?Da muß man doch mit Leuchtturmprojekten glänzen.
Oder sind die Grünen nicht grün,die Linken nicht links,die SPD nicht sozial,die CDU nicht christlich und die AFD (k)eine Alternative……..warum nur löst das bei mir so ein Unbehagen aus?