»Jede Jeck is anders« – Dieses Kölsche Grundgesetz gilt auch für Veloträumer, selbst wenn sie Best-Buddys wie Pit und Moritz sind ;-)
Kein Wunder, dass so zwei grundverschiedene Räder entstanden sind. Einmal mehr ist es verblüffend, dass sie aus der gleichen Velotraum-Fahrradwelt stammen.
Bevor wir nun im Detail auf die Räder eingehen, sei schon mal vorweggeschickt, dass Pit und Moritz hier Lösungen gesucht und gefunden haben, die wir so nicht für Kunden anbieten und realisieren können. Denn in jedem der Räder steckt eine monatelange Recherche und ein hoher Beschaffungsaufwand, von der Maschinenrichtlinie und der CE-Konformität ganz zu Schweigen.
FD2E von Moritz Pfrengle
Ein durch und durch pragmatisches Nutzrad – Dem FD2E von Moritz liegt ein ungewöhnliches und umfangreiches Pflichtenheft zu Grunde. Denn eigentlich ist das Rad für seine Frau Ina, die damit täglich 30 Kilometer zur Arbeit pendelt. Allerdings sollte das Rad auch mal g’schwind von Moritz zu benutzen sein. Die Lösung für die gewünschte adhoc-Anpassung: Eine verstellbare Sattelstütze von Giant, die in den jeweiligen Endpositionen die richtige Sattelhöhe aufweist. Auf ein Display wurde bewusst verzichtet, als Ersatz fungiert das minimalistische EW-EN100; bei Bedarf kann ein Smartphone als Displayersatz damit gekoppelt werden.
Dafür hat das Rad eine USB-Ladebuchse, die aus dem Motorradzubehör von SP-Connect stammt und am 12-Volt-Ausgang des EP8-Motors bestens funktioniert. Diese Lösung wird es im Übrigen auch bald für alle Velotraum-Pedelecs als Wahloption geben. Auch der Kettenschutz von FSA soll den Weg ins Velotraum-Portfolio finden; das gute Stück ist allerdings frühestens ab März 2022 lieferbar.
Wohl überlegt war auch die Entscheidung für den »alten« FD100E-Rahmen mit aufgesetztem Akku. Ausschlag gebend dafür waren sowohl die Verfügbarkeit als auch die klassische Rahmenoptik. Als Laufradsatz kommt eine Kombination aus WTB-Felgen und 2,8-Zoll WTB-Reifen zum Einsatz und zwar in 26-Zoll Laufradgröße. Die somit geringere Überstandshöhe kommt insbesondere Moritz’ Frau Ina zugute. Da extreme Berggänge weder gewünscht noch benötigt werden, hat Moritz eine Kassette mit 11-34 Zähnen und ein Rennradschaltwerk mit kurzem Käfig verbaut.
SP2E von Pit Heynhold
Ein ungewöhnliches Nutz- und Spaßrad – Schon immer hat Pit bei seinen Velotraum-Fahrrädern viel Wert auf eine schnittige Optik gelegt, so auch bei diesem SP2E. Primär wird das neue seinen alten Speedster mit Neodrives-Antrieb ersetzen, mit dem Pit überwiegend zur Arbeit pendelt. Allerdings ist bei seinem neuen Speedster-Pedelec das Pflichtenheft ebenfalls etwas umfangreicher.
Zusätzlich zu den Pendlerstrecken soll der SP2E auch als vollwertiges und Langstrecken-taugliches Reiserad funktionieren. Daher sind Schutzbleche, Gepäckträger und Lichtanlage obligatorisch, ebenso wie der große Akku mit 630 Wh, der sich optisch überraschend gut in das sportive Rad einfügt. Trotz dieser Zusammensetzung beträgt das Gewicht nur 21,0 Kilogramm; das kann sich angesichts eines so potenten Pedelecs durchaus sehen lassen. Gewicht gespart wurde insbesondere bei den Laufrädern mittels sehr leichten Tubeless-Reifen, die man so einem normalen Kunden nie anbieten würde :-)
Warum nun das Rücklicht an der Sattelstütze sitzt und nicht am Gepäckträger, hat natürlich seinen Grund. Denn so können mit ein paar Handgriffen die Schutzbleche und der Gepäckträger demontiert werden und Platz für einen fett-bereiften zweiten Laufradsatz geschaffen werden. Dadurch verwandelt sich das brave Nutzrad in ein fetziges Omniterra-Spaßrad. Dabei nutzt Pit geschickt das Potential unterschiedlicher Reifenformate, die im E-Finder möglich sind. Ohne das Schutzblech-Gepäckträger-Gedöns beträgt das Gewicht knapp über 20 Kilogramm – mit dem kleinen Akku (520 Wh) ließe sich gar die magische 20-Kilogramm-Marke unterbieten.
Beide Laufradsätze basieren auf DT-Swiss 350-Naben und sind schlauchlos, also »tubeless«. Im Nutzrad-Laufradsatz kommen DT-Swiss XM-481-Felgen und Schwalbe Thunder-Burt-Reifen in 57-584 zum Einsatz, im Spaßrad-Laufradsatz WTB Kom-Tough-Felgen und Continental Cross-King-Reifen in 65-584 Millimeter.
Kommentare
Wunderschöne Radl, bis ins Detail.
Die minimalistische Schnittstelle, der Spiegel und die Farbgestaltung mit den grünen Details (Ventilkappen, Steuerkopf, Sattelklemme, Lenkerband, Schriftzug) sind ganz nach meinem Geschmack.
(Noch ein kleiner Hinweis, es gibt nur eine gültige Maschinenrichtlinie.)
Sehr schöne Pedelecs; gibt es eigentlich Gründe, am Pedelec keine Tubeless-Reifen zu verwenden?
An dieser Stelle auch nochmal ein fettes Dankeschön an Stefan & Patricia die mir das Rad zur Rente gesponsert haben, deßhalb blieb genug Spielraum für die Extras wie 2.Laufradsatz, Steuersatz und ein Paar kleinere Gimmicks.
Pit
@ Berthold: Gute Frage. Der Thunder-Burt hat von Schwalbe die E25-Freigabe, ob mit Schlauch oder tubeless wird nicht differenziert. Da der Umgang mit Tubeless-Reifen nicht so ganz »idiotensicher« respektive vertraut ist, bleiben wir daher lieber auf der abgesicherten Seite.
Sehr schönes Fahrrad, gut durchdacht. Ich fahre ein Speedster (ohne E), auf dem der Thunderburt verbaut war. Hab ich rasch auf tubeless umgebaut, sauschnell, aber geringe Laufleistung und letztlich in der Stadt (Dortmund) trotz tubeless nicht wirklich pannensicher. Ist halt ein hochgezüchteter Wettkampfreifen. Jetzt habe ich den G-One Allround drauf, auch tubeless, der brettert seit 2000 km durch alles durch.
Nun gut, da wundert man sich schon immer wieder, Stefan fährt sein Alltagsrad ja auch Tubeless. Vielleicht ist das nicht Idiotensicher, aber ich glaube da ist kein Bereich sicher. Ich bin mir sicher, bereits viele Alltagsradler kommen mit einer einfachen Reifenpanne, selbst bei Schlauchreifen, an ihre Grenzen.
Meinen Finder fahre ich jetzt seit 4 Jahren Tubeless. Er wird eher auf den Kurzstrecken verwendet, da ich nicht täglich pendeln muß. Bisher hatte ich erst eine Reifenpanne, liegt vlt auch an den wachen Augen, die viele Risiken erkennen. Aber in diesem Fall hat mir mir Tubeless auch nicht geholfen, die Dichtmilch war mit guten 6 Monaten bereits zu alt und wollte einfach nicht abdichten . Wenn man dann einen Schlauch am Hinterrrad einbauen muß, fällt das nicht unter die Kategorie vergnügungssteuerplichtig. Seither wird die Milch alle 4 Monate gewechselt, entweder ich hatte Glück oder es noch nicht einmal gemerkt, daß etwas passiert ist.
Und dann wäre da ja noch die Diskussion welche Milch man verwenden sollte, ich habe gerne etwas was man entnehmen und neu befüllen kann, auch wenn da natürlich immer etwas im Reifen zurück bleibt.
Und übrigens, nichts gegen leichte Reifen, habe gerade meine Finder ein wenig abgerüstet, erstaunlich was ein paar 100g eingespartes Reifengewicht ausmachen, ob ein Reifen 800 g wiegt oder nur gute 500g macht einen großen Unterschied. Wenn ein Motörchen mithilft merkt man da natürlich keinen Unterschied, sonst schon….
@ Andreas: Interessante Betrachtungsweise und im Prinzip kann ich Dir beipflichten. Allerdings (ver)klagt der Kunde weniger, wenn er mit einer vermeintlich bewährten und bekannten Lösung einen Plattfuss hat.
Generell wandeln wir als Fahrradhersteller immer auf einem schmalen Pfad zwischen bewährt (und hinsichtlich der Produkthaftung unkritisch) und neu (respektive innovativ) mit Restrisiko. Und mit »Restrisiko« haben die Gesellschaften der ersten Welt ja so ihre Problemchen ;-)
Apropos Produkthaftung: Das geht soweit, dass wir bestimmte Dinge nicht mal auf ausdrücklichen Kundenwunsch hin machen dürfen (z. B. VR-Schutzbleche ohne Sicherheitsclips). Das Gesetz bzw. dessen Auslegung schützt da den (mündigen) Bürger vor sich selbst ;-)
Immerhin darf der mündige Bürger zuhause selbst Hand anlegen. Doch Obacht: Bei einem Versicherungsfall kann einen das Ganze schnell wieder einholen …
Hinsichtlich der rotierenden (Reifen)Massen im Pedelec bin ich anderer Meinung. Auch mit »Motörchen« – zumindest wenn man sich bei der Unterstützung auf das Notwendigste beschränkt – sind leichte Reifen spürbar. Zumindest für Leute, die das Pedelec auch im Eco-Modus (geringste Unterstützung) sportlich und dynamisch bewegen ;-)
Hallo Pit Heynhold, du kannst es nicht mehr wissen, aber du hast im Frühjahr 2005 mit mir, noch im alten Laden, mein erstes Velotraum zusammengestellt, in einer unnachahmlich ruhigen und kompetenten Art. Das Rad passte perfekt, und natürlich läuft es, als Gebrauchsrad, immer noch.
Jetzt gehst du, ein Gesicht von Velotraum, in Rente (zufällig zum gleichen Zeitpunkt wie ich). Ich wünsche allzeit gute Fahrt und viele schöne Radreisen, vielleicht begegnet man sich mal irgendwo zwischen Nordhessen und Süditalien…:-)).
Alles Gute von Rolf aus Nordhessen
Hallo Rolf,
schön, dass Du so zufrieden mit Deinem Velotraum bist.
Ich wünsch Dir ebenso allzeit gute Fahrt und vieleicht trifft man sich ja wirklich mal irgendwo.
Pit
@stefan-von-velotraum:
apropos Produkthaftung: wie verhält es sich eigentlich mit Reifen ohne Reflexband , davon gibt es ja einige, und müsste man dann nicht Speichenreflektoren benutzen?
@ Berthold: Das ist eine klare Sache. Die STVZO schreibt entweder Speichenreflektoren oder einen durchgehenden Reflexstreifen am Reifen vor, und zwar fürs Fahrrad und somit auch fürs Pedelec. Einen ähnlichen Sicherheitseffekt, wenn auch nicht zugelassen, bieten die reflektierenden Schriftzüge auf den Schwalbereifen, wie z. B. beim Thunder Burt.
Das mit den Reflektoren ist ein interessanter Aspekt im Rahmen der CE-Kennzeichnung, da ein Pedelec im Gegensatz zum Fahrrad der Maschinenrichtlinie unterliegt.
Ein Bestandteil des Konformitätsbewertungsverfahrens ist die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung wird man u.a. auch feststellen, ob das Pedelec den gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf die Beleuchtung entspricht und das ein Übersehen werden im Straßenverkehr eine Gefahr ist. Bei Maschinen sollten Gefahren zuerst mit technischen Maßnahmen behoben werden, ehe man persönliche Schutzausrüstungen (z.B. Warnweste tragen) vorschreibt und auf Restgefahren hinweist.
Wenn man als Inverkehrbringer keine Reflektoren anbringt, wäre ein Hinweis unter nicht bestimmungsgemäßer Verwendung möglich. „Das Pedelec darf nicht im Bereich der StVZO betrieben werden.“
„Das Pedelec darf nicht im Bereich der StVZO betrieben werden.“
Tja, dass gilt dann wohl für viele neue und alte Fahrräder in DE, man denke nur an die gerade so beliebten E-MTBs, aber auch Rennräder, Gravelbikes usw. Mich wundert häufig schon, wie wenig sich viele Radfahrer darum scheren gut gesehen zu werden … Das ist sicherlich ein Nebenaspekt warum der Risikofaktor von Radfahrern 3,5 bis 7 mal höher ist als der von Autofahren.
Aber vielleicht färbt ja auch die miserable Qualität des hiesigen Radwegenetz (allein die Bezeichnung Netz ist ein Euphemismus), und die damit zum Ausdruck kommende fehlende Wertschätzung, auf das Nutzerverhalten ab. Frei nach dem Motto: Wie der Herr, so’s Gescherr ;-)
Was in jedem Fall stattfindet ist die Abnahme der Fahrradnutzung im Alltag im ländlichen Raum (bei dem Risikofaktor eigentlich vernünftig); mitten im Corona-Fahrradboom und der allgegenwärtigen Umweltdiskussion (Klima, Lärm usw.) … Nachzulesen im neusten Fahrstil #33.
Bevor ich nun in diesen-unseren-Zeiten missverstanden werde oder noch schlimmer, Applaus von der falschen Seite erhalte: Regeln, DIN- und Sicherheitsnormen sind wichtig und sinnvoll, ebenso wie ein gesundes Maß an Toleranz, Eigenverantwortung und Gelassenheit. Letzteres wird angesichts der kläglichen Vorbildrolle des Staats mitunter arg strapaziert ;-)
Ein Fahrrad ist halt „nur“ ein Fahrrad und das Pedelec ist dem Fahrrad gleichgestellt. Das Pedelec unterliegt aber auch der Maschinenrichtlinie und das ist der feine Unterschied.
Ich stelle mir gerade einen Wegeunfall als gewerblicher Arbeitnehmer mit dem Pedelec vor, wo die Berufsgenossenschaft Versicherungsleistungen erbringen muß.
Obwohl ich dunkel gekleidet war, die Beleuchtung nicht eingeschaltet hatte und auch wusste das die Reflektoren fehlten, würde ich versuchen den Hersteller/ Inverkehrbringer der Maschine in Regress zu nehmen.
Fehlen der zitierte Satz oder die Reflektoren ab Werk, müsste sich der Hersteller darüber Gedanken machen, ob sein Produkt CE-Konform ist.
Unabhängig davon, ist gesehen werden, selbstverständlich sehr wichtig. Im Gegensatz zur StVZO dürfen Bekleidung und Fahrradtaschen die Vorschriften in den Schatten stellen und deutlich sichtbarer sein.
Mit gesundem Menschenverstand sind die Vorschriften und Gesetze eher nicht nachvollziehbar.
Schon krass,wie manche Menschen unterwegs sind. Ich würde nicht im Ansatz auf eine solche Idee kommen. Traurig, dass wir immer öfter mit solchen Extremen zu tun haben. Dann sollen doch die Juristen die nächste Fahrradgeneration zurechtzimmern und gegenseitig zertifizieren. Mal schauen was dabei heraus kommt. Ich bin mir ziemlich sicher, fahren möchte ich das nicht und Innovation sieht bestimmt auch anders aus…