Bei Aufräumarbeiten im Velotraum-Bilder-Archiv sind wir auf »Schätze« gestoßen, deren Existenz wir so nicht mehr präsent hatten.



Also machen wir eine kleine Zeitreise in eine noch garnicht so weit zurückliegende Ära, die jedoch – gefühlt und in Teilen – eine Ewigkeit her zu sein scheint.
Rückblickend hat es uns ein wenig überrascht, wie lange wir schon Langzeit-Reisende mit Velotraum-Rädern ausrüsten und das es Radfernreisen auch schon vor dem »Internetzeitalter« gab – typische Erinnerungsverzerrung. In der Prä-Internet-Ära handelte es sich dabei überwiegend um einzelgängerische Abenteurer und danach gab so ziemlich alles dazwischen, bis zum Allways-on-Botschafter im Hier-und-Jetzt. Eine schöne kunterbunte Mischung an Charakteren und unser über Jahre verfeinerten Fahrradwelten sind auch ein Spiegel dieser Menschen und deren Abenteuer. Auch wenn es zum Gros der hier vorgestellten Globetrotter keinen Kontakt mehr gibt, sind wir glücklich und dankbar für die geteilte Zeit und die geteilten Erlebnisse.
Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden
Mit ein wenig Selbstreflexion hat der Reiseradler-Schwerpunkt natürlich auch sehr viel mit dem Werdegang des Chronisten zu tun, der sich vom reinen Sportradnutzer zum sportiven Alltags-, Reise- und Pedelec-Radler entwickelte.
Und was hat das Ganze mit Velotraum von heute und morgen zu tun? – Frei nach Kierkegaard, wird das Leben vorwärts gelebt und rückwärts verstanden. Daher wirkt diese Vergangenheit auch ins Hier-und-Jetzt von Velotraum und wird sicher auch unsere Zukunft prägen.
Apropos Erinnerungsverzerrung: Nicht nur hinsichtlich der Jahreszahlen bitte ich um Nachsicht bzw. Vorsicht. Einiges sind Schätzungen und vage Erinnerungen, also bitte nicht auf die Goldwaage legen. Und sehr wahrscheinlich habe ich den einen oder anderen Velotraum-Weltenradler vergessen bzw. keine Kenntnis von seiner Tour ;-)
Rene Marks – Bike-World-Tour
Wir hatten gerade unseren ersten richtigen Rohloff-Rahmen – mit verschiebbaren Ausfallenden – auf den Markt gebracht (2002), als Rene Marks – damals Chefredakteur der »Radtouren« – mit einem solchen Rad und per Anzeige gefundener Reisepartnerin auf Weltreise gehen wollte.
Wenn wir uns richtig erinnern, war Rene nach wenigen Wochen nur noch solo unterwegs und aus der Weltreise wurde »nur« eine kleine Afrikarunde. Bei Rene war während der Reise die Erkenntnis gereift, dass eine Fahrrad-Weltreise doch nicht sein Ding ist; bis heute bewundere ich die diesen klaren Schritt. Übrigens ist Rene der Fahrradbranche nicht verloren gegangen und seit vielen Jahren Produktmanager beim Reifenhersteller Schwalbe.
Silvia Rüger und Clemens Carle
Es muss so kurz vor der Jahrtausendwende gewesen sein, als Clemens Carle sich mit einer opulenten Mappe bei uns vorstellte. Als Mitautor des Weltradreiseführers – damals die Bibel aller Weltenradler – sowie Autor diverser Reiseberichte war er für damalige Verhältnisse eine kleine Reiseradler-Berühmtheit und in jedem Fall ein Pionier in Sachen Fernreisen.
Davon abgesehen fanden wir Clemens und Silvia einfach sehr sympathisch und ihre ganzen Projekte hatten Hand und Fuss. Sowohl die Seidenstraße wie eine sehr strapaziöse Afrika-Tour bewältigten Clemens und Silvia auf ihren Velotraum-Rädern, sowie diverse Reisereportagen für die Radtouren (siehe PDF unten). Danach haben wir Clemens und Silvia leider aus den Augen verloren.
- Clemens Carle in der Radtouren 2009 (PDF | 18,6 MB)
Die Salem-Burschen
Ein tip-top Reiserad allein ist noch kein Garant für das Gelingen einer langen Reise und nicht jeder ist zum Globetrotter geboren. Wir haben nicht nur einmal erleben müssen, wie eine lang angelegte Reise bereits nach Wochen zu Ende ging, und nicht immer waren es so erfreuliche Gründe wie eine Schwangerschaft. Auch bei Johannes und Nils, zwei junge und sehr sympathische aber etwas unbedarfte Burschen aus Salem, die mit ihren Velotraum-Rädern nach Tibet wollten, hatten wir so unsere Zweifel.
Und in der Tat, die ersten Velotraum-Räder wurden Nils und Johannes bereits in der Türkei gestohlen und sie mussten erst mal Geld für die Ersatzräder verdienen. Danach haben wir lange nichts mehr von ihnen gehört, bis uns auf Umwegen das Foto oben erreichte. Was es damit auf sich hat lässt sich hier nachlesen.
Radnomaden
Als Sarah und Markus bei uns ihre Räder für eine Reise nach China (2002) in Auftrag gaben, waren wir gespannt, ob die beiden Freiburger mit ihrer lockeren Einstellung China erreichen würden. Doch auch hier lagen wir mit unserer Skepsis völlig falsch.
Nach über 14.000 abenteuerlichen Kilometern erreichten Sarah und Markus China. Die vielen Herausforderungen auf der Strecke bewältigten Sie mit viel Humor, Charme und Zuversicht. Darüber gibt es im übrigen auch ein immer noch lesenswertes Buch. Ebenfalls in sehr guter Erinnerung haben wir ihren tollen Reisevortrag hier in Weil der Stadt.
Dorothee Fleck – die Pionierin
Als wir von der Globetrottern Dorothee Fleck erstmals erfuhren, war sie schon mehrere Jahre mit einem Velotraum-Rad unterwegs und damit einmal um den Globus geradelt. Denn ihr erstes Velotraum hatte Sie bei einem unserer Partnerhändler gekauft und der wusste wohl auch nicht mit wem er es zu tun hatte ;-)
Das zweite Velotraum hat Dorothee sich dann bei uns machen lassen und das war der Beginn einer langen und schönen Kooperation. Mit Velotraum Nr. 2 bewältigte Sie Ihre zweite Weltreise und die Afrika-Umrundung. Auch dabei war sie Pionierin, denn vom Dezember 2015 bis Januar 2018 umrundete sie als erste Frau alleine mit dem Fahrrad (»unsupported«) ganz Afrika. Wer im »Suchen-Fenster« (Lupe ganz oben rechts) der Velotraum-Seite »Dorothee Fleck» eingibt, findet eine Vielzahl von Berichten zum schmökern und versteht danach besser, welche Leistung Dorothee – völlig unprätentiös – über viele Jahr vollbracht hat. Kein Wunder, dass viele Reiseradlerinnen sich von Dorothee inspirieren ließen und lassen.
Eine Anekdote schlägt die Brücke zu Schwalbe: Carsten Zahn – Schwalbe-Mitarbeiter und ebenfalls Reiseradler – hat Dorothee per Zufall im Frühjahr 20?? in der Türkei getroffen und sich gewundert, warum da eine Frau auf Spikereifen durch die Wärme fährt. Die Erklärung: Dorothee war im winterlichen Deutschland aufgebrochen und wollte die Spikereifen noch runterfahren … Technik-Nerds und Perfektionisten sei noch dieser Bericht ans Herz gelegt ;-)
Isabel und Uwe – die Unermüdlichen
»Guten Tag, meine Frau Dr. Isabel Ritz (Kinderärztin) und ich (Tierarzt) beabsichtigen ab Februar 2011 für mindestens zwölf Monate der alten Seidenstrasse zu folgen und später die Reise durch Südostasien fortzusetzen …« Diese E-Mail von Uwe Ellger war mehr als prophetisch …
Denn seit diesem Zeitpunkt sind die Isabel und Uwe auf ihren Rädern unterwegs (Seidenstraße, Südostasien, Südamerika …), lediglich durch kurze Stippvisiten in Deutschland unterbrochen. Und da Uwe ein Geschichtenerzähler vor dem Herrn ist, gibt es natürlich ein Buch und einen Film von ihren Abenteuern.
Sergej – Solo um die Welt
Es muss kurz nach unserem Umzug vom Mäuerlesgang in unseren Neubau in die Daimlerstraße gewesen sein (2008), als zwei schwer bepackte Reiseradler aus Berlin hier eintrafen. Sie waren am Anfang einer gemeinsamen Weltreise und wollten die Räder hier nochmals auf Herz und Nieren prüfen lassen.
Gesagt getan. Danach war lange Sendepause bis dann von Sergej, der inzwischen allein unterwegs war, regelmäßige Bilder aus der ganzen Welt eintrafen, die er zielstrebig und unaufhaltsam mit seinem Velotraum erreichte. Unvergessen auch die Story eines abenteuerlichen Tretlagerwechsel in Afrika ;-)
Perrad – Vom Globetrotter »geadelt«
»Die Vorbereitungen sind so gut wie abgeschlossen. Wir werden nun endlich ab Juni für zwei Jahre mit unseren “veloträumen” auf grosse Asientour gehen und hoffen, dass die Räder ihrem Namen alle Ehre machen werden ;-)«. Mit dieser E-Mail verabschiedeten sich das deutsch-schweizer Paar Nicole und Jörg von uns.
Sowohl die Räder aber vor allem Nicole und Jörg haben dabei eine »ehrenvolle« Leistung vollbracht, was zuletzt darin gipfelte, dass sie ihre Reisestory im Globetrotter-Magazin »4-Season« veröffentlichen durften. Leider ist die Homepage von Perrad nicht mehr verfügbar und somit all die famosen Bilder und Bericht nicht mehr zugänglich. Das ist eben die Ambivalenz einer digitalen Welt. Unvergeßlich wird uns aber dennoch der Reisevortrag von Nicole und Jörg hier vor Ort bleiben. Zum Abschluss stand eine ältere Besucherin sichtlich ergriffen und begeistert auf und umarmte Nicole. Das gab es bisher auch noch nie und auch danach nie wieder …
Chrigi – der wilde Schweizer
Ein ganz ähnliches Kaliber wie Sergej ist/war Chrigi aus Bern, O-Ton: »Ein Mann will ja Abenteuer!«. Von dessen fast vierjähriger Weltreise haben kurz am Anfang etwas mitbekommen, und drei Jahre später stand er dann bei uns auf dem Messestand in Friedrichshafen ;-)
- Porträt – Chrigi der wilde Schweizer (PDF | 2,6 MB)
Den Zeitpunkt seiner Rückkehr hätte Chrigi freilich nicht besser wählen können, denn er trudelte just zur Eurobike via Frankreich ein. Auf die Frage ob er samt Fahrrad bei uns auf dem Stand präsent sein wollte, kam ein klares ja, und so verbrachten wir ein paar schöne Tage gemeinsam auf der Eurobike in der gemeinsamen Ferienwohnung. Noch heute schwärmt die Frau des Chronisten von Chrigis coolen Tattoos ;-)
Steffi und Andi von Bike-World-Wide
Als wir das erste mal von Steffi und Andi gehört haben, waren die Beiden auch schon 18 Monate auf ihren Velotraum-Rädern unterwegs. Für die Räder hatten sie nur Rahmen und Gabel bestellt und dann die Räder selbst aufgebaut.
Nach der Halbzeit sollten die Räder von Felgen auf Scheibenbremse umgerüstet werden um, O-Ton: »Während unserer mittlerweile 18 Monate auf dem Rad haben wir unseren Reisestil stark verändert. Von überwiegend Straße auf mehr und mehr unbefestigte Wege sowie Wanderwege.«. Ab da hatten wir regelmäßig Kontakt und am Ende der Reise statteten Steffi und Andi hier einen Besuch ab, woraus dieser schöne Bericht entstanden.
Resumee: Mit dem Fahrrad die Welt zu bereisen ist, wie man unschwer erkennen kann, keine Erfindung der Neuzeit. Vor der Ära Clemens Carle gab es Tilmann Waldthaler und lange davor Thomas Stevens, der mit einem Hochrad Ende des 19. Jahrhunderts als erster Mensch die Erde umradelte. Allerdings sind es inzwischen viel mehr Menschen geworden, die mit dem Fahrrad zu einer langen Reise aufbrechen, da wirken Zeitgeist und steigender Wohlstand in den G20-Staaten zusammen. Die Motivation bleibt dabei so unterschiedlich wie die Protagonisten selbst und reicht vom Vollzeit-Berufsreisenden bis zur Protestradlerin, wie die Velotraum-Kundin Elisabeth Smolak, die angesichts der Klimaproblematik auf Twitter postuliert: »Bin sehr grantig und fahre jetzt mit dem Rad nach Sydney« ;-)
Kommentare
Wow, was für ein toller Bericht. Als ständiger Leser Eurers Blogs kann ich mich an fast alles noch erinnern. Für eine Weltreise hat es bei mir leider noch nicht gereicht, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Liebe Grüße Bernd
Also das beste Bild ist das mit dem Tandem und dem Chef himself in quietschpinker Montur
Schön, dass ihr auch uns Radnomaden “wiederentdeckt” habt. Mein Velotraum rollt übrigens auch nach inzwischen 20 Jahren immer noch wie am ersten Tag, vergangenen Herbst hat es mich ohne zu Murren und vollbepackt von Freiburg aus über mehrere Pässe aufs Stilfser Joch getragen. Ein Rad fürs Leben :-) Viele Grüße Markus Fix
Vielen Dank für diese, für Euch “kleine” Zeitreise.
Ich war immerhin fast 12 Jahre lang “vollzeit” mit Velotraum unterwegs. :-). In den letzten Jahren ist mein Velotraum, nicht nur Corona-bedingt, mehr im Ruhestand als im Fahrmodus.
Im August sind es genau 20 Jahre, dass ich mein erstes Velotraum in Freiburg abgeholt hatte. Das zweite ist jetzt auch schon wieder 12 Jahre alt. Mal sehen, ob es nochmals auf große Tour geht.
Liebe Grüße
Dorothee
Eine kleine Zeitreise, aber ein großartiger Bericht! Beeindruckende Menschen, phantastische Abenteuer, weltbeste Fahrräder! Ich genieße solche Stories, diesen Blog, und überhaupt … Danke !!!
Ja das ist ja nett, dass ihr euch noch an uns erinnert…
Haben uns ja eine ganze Zeit nicht mehr gesehen.
Unsere letzte große Tour war eigentlich 2018 unser Umzug von München an den Schliersee. Natürlich mit unseren Fahrrädern.
Eine beliebte und hübsche Halbtagestour der Münchener.
Wir machten dann aber auf halbem Weg einen Fehler, bogen nach Südwest ab statt nach Südost, und so dauerte es etwa 15 Monate bis wir kurz vor dem Lockdown den schönen Schliersee erreichten. Eine Tour durch 22 Länder und fünf Kontinente.
Mittlerweile haben wir uns einen Hund zugelegt und verbringen auch immer wieder einmal längere Zeit im schönen Oberland.
Wenn der liebe Hundesitter Zeit hat geht es aber immer wieder in die Ferne. Neben Europa weiterhin gerne nach Asien und Südamerika.
Nächsten Monat- dann allerdings mit Hund und Hänger- durch die Baltischen Länder und Skandinavien.
Liebe Grüße an alle
Isabel und Uwe
Sehr schöne Geschichten – toll, danke dafür!
Tolle Zeit, Erinnerungen fürs Leben. Schön das ihr es wieder teilt. Fahre unterdessen einen Speedster, war soeben eine Woche in meiner Heimat unterwegs. Für mich immer noch die beste Art die Welt zu entdecken. (Nur noch im kleinen Rahmen ;-)
Liebe Grüsse,
alles gute für VELOTRAUM, Chrigi