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Neue Bremsen-Lösungen bei Velotraum

So unterschiedlich und vielseitig Velotraum-Fahrräder genutzt werden, so vielschichtig sind die Anforderungen an die Bremse.

Dabei ist die »beste Bremse« nicht unbedingt diejenige, die rein physikalisch die höchste Verzögerung bietet. Es gilt vielmehr auch bei der Bremse, das passende System zu finden und da gab (und gibt) es noch Lücken.

Während sich bei Fahrrädern mit MTB- oder Tourenlenker nur die Frage stellt, Felgen oder Scheibenbremse (dazu einige generelle Überlegungen am Ende des Artikels) – konnten Rennlenker-Liebhaber oft nur zwischen mäßiger und saumäßger Bremse entscheiden.

Neue Bremsenoptionen für Rennlenker mit STI-Schalthebeln

Mit dem Scheibenbremsen-Konverter Eddy haben wir schon vor zwei Jahren eine dieser Lücken geschlossen und die Kombination von Magura-Scheibenbremsen und Shimano-Schaltbremshebeln (STI) ermöglicht. Mit dem Magura-RTC-Konverter für hydraulische-Felgenbremsen gibt es nun auch eine Lösung für die Kombination aus Rennlenker, STI-Schalthebel und HS11 bzw. HS33-Felgenbremse.

Eine Auszeichnung für Eleganz oder Design wird der Magura-Konverter sicherlich nicht gewinnen und auch die Befüllung und Entlüftung der Bremsanlage ist alles andere als schnell und einfach, aber: es funktioniert. Zudem lässt sich der Konverter auch mit älteren Magura-Bremsen kombinieren und bietet sich so auch für die Nach- und Umrüstung vorhandener Räder an. Wer allerdings den knackigen Druckpunkt einer HS66 (Maguras 2008 eingestellte Bremse für den Rennlenker) erwartet, wird leider etwas enttäuscht sein, aber die Bremsleistung und auch die Dossierbarkeit sind völlig okay. Da die Geschmäcker (siehe auch Test Trekkingbike 2/2013) in dieser Hinsicht gerne auseinander gehen, empfehlen wir eine Testfahrt um sich selbst ein Urteil zu bilden.

Bewegung bei den mechanischen Disc-Bremsen. Jahrelang haben wir einen Bogen um mechanische Scheibenbremsen gemacht, speziell um die immer wieder ins Feld geführte Avid BB7. Der Grund lag schlicht in der enormen Baubreite dieser Bremse, die eine Kombination mit einem Gepäckträger quasi unmöglich machte. Und die schmäler bauenden Shimano-Modelle waren zu schwachbrüstig in der Bremsleistung. Shimanos neue mechanische Scheibenbremse (BR-R515) für STI-Schalthebel baut schlanker und hat nun endlich eine vernünftige Bremsleistung. Die reicht zwar nicht an die Qualitäten der Kombination aus »Eddy« und »MT-4«, ist aber dafür erheblich günstiger und technisch einfacher zu beherrschen. Und allemal lassen sich auch mit dieser Bremse Überflieger bauen.

Traum-Scheibenbremse für den Tourenlenker

Auch für die »Touren-Lenker-Fraktion« haben wir eine schöne, neue Bremsen-Option. Hatten wir bisher nur die exquisite XT-Scheibenbremse im Programm, deren unbestrittenen Qualitäten mit einem kräftigen Aufpreis verbunden sind, gibt es nun eine kleine Shimano-Lösung.

Bei der Suche nach einer preiswerteren hydraulischen Scheibenbremse haben wir allerdings ganz bewusst die Shimano-Volumenklasse, wie die Modelle BR-M446 oder BR-M395, außen vor gelassen. Bei diesen Bremsen waren uns die Abstriche in Sachen Haptik, Verarbeitung und Design doch zu groß. Die aus unserer Sicht überzeugendste Kombination aus Wertigkeit, Funktion und Design fanden wir schließlich bei der LX-Scheibenbremse (BR-T675). Die LX-Disc bietet eine überzeugende Verarbeitung samt elegantem Design und eine kraftvoll-opulente aber nicht zu brutale und jederzeit gut zu kontrollierende Bremsleistung. Die Entlüftung ist ein Kinderspiel (Shimano-Terminus technicus:one way bleeding) und wie alle Shimano-Bremsen ist die BR-T675 mit normalem Mineralöl befüllt und nicht mit aggressiver und jährlich zu wechselnder DOT-Bremsflüssigkeit. Und das alles gibt es zu einem vergleichsweise moderaten Aufpreis zu unserem bewährten Basismodell, der Magura MT-4. Inzwischen finden wir die LX-Bremse so überzeugend, dass sie die XT-Disc bis auf Weiteres ersetzt.

Scheiben- oder Felgenbremse – Überlegung zur Gretchenfrage

Für alle Leser, die noch vor der generellen Entscheidung stehen – Felgen- oder Scheibenbremse – helfen eventuell die folgenden Betrachtungen.

Felgenbremse – simpel, effizient und zuverlässig

Für den normalen Freizeit-, Touren- und Reiseradler, der sein Fahrrad bewusst einfach halten möchte, ist und bleibt die Felgenbremse eine sinnvolle Option. Egal ob hydraulische oder mechanische Felgenbremse, die Bremsen sind im Sommerhalbjahr bei trockener Witterung – Hand aufs Herz, wer fährt schon gerne in Nässe und Regen – absolut ausreichend. Sobald sich der Einsatzbereich mehr in Richtung ambitioniert und extrem verschiebt, lohnt es sich, über die Alternative »Scheibenbremse« ernsthaft nachzudenken.

Scheibenbremse – für wen und wozu

Die Frage nach der »besten« Fahrradbremse lässt sich zumindest im physikalischen Sinne einfach beantworten: Es ist die Scheibenbremse. Allerdings greift diese Fragestellung (unserer Erfahrung nach) etwas zu kurz. Insbesondere beim Trekkingrad mit seinen völlig unterschiedlichen Einsatzbereichen und Nutzern, sollte die Frage lauten: »welches ist die beste Fahrradbremse für mich«.

Warum die Frage nach dem »für wen und wozu« so wichtig ist, wird verständlicher, wenn man die Wesensmerkmale einer Scheibenbremse etwas genauer betrachtet. Denn, da wo es viel Licht gibt – also höchste Bremsleistung unter nahezu allen Bedingungen – da gibt es auch (etwas) Schatten.

Während die Felgenbremse sich mit dem Fahrrad und seinen Rahmenbedingungen entwickelt hat ­– quasi systemkonform ist, stammt die Scheibenbremse aus dem motorisierten Fahrzeugbau, der völlig andere Rahmenbedingungen bietet und benötigt. Während z.B. bei Felgenbremsen im Millimeter-Bereich gearbeitet wird, sind es bei der Scheibenbremse allenfalls Zehntel-Millimeter. Die Scheibenbremse benötigt für eine perfekte Funktion also wesentlich kleiner Toleranzen und präzisere Passungen, insbesondere beim »Übergang« von Laufrad zum Rahmen. Beim MTB setzen sich daher immer mehr hochspezialisierte Steckachsen-Systeme durch, die fürs Trekkingrad im Moment völlig ungeeignet wären. Kurzum, beim Trekkingrad mit Scheibenbremse treffen zwei Technologiesphären aufeinander, die nur dann zufriedenstellend gelingen bzw. als gelungen empfunden werden, wenn man die Rahmenbedingungen dieser beiden Technikwelten kennt und berücksichtigt.

Im Vergleich zur »Steinzeit-Technik« einer V-Brake, ist eine Scheibenbremse echte Hochtechnologie. Es liegt daher auf der Hand, dass eine solche Technik naturgemäß empfindlicher auf die »Unbilden« reagiert, die der normale Fahrradgebrauch im Alltag oder auf Reisen mit sich bringen kann. Mechanische Beschädigung der Bremsscheibe durch Transport in Bus, Bahn und Flugzeug oder auch Fahrradständer (!), können eine Scheibenbremse komplett außer Kraft setzen. Auch der Umgang mit Kettenspray und Kettenöl sowie anderen Pflegemitteln hat seine Tücken, denn die Bremsbeläge saugen begierig alles auf, was ölig und fettig ist. Danach bleibt nur noch der kostspielige Tausch der Beläge, denn ein verunreinigter Bremsbelag setzt die Scheibenbremse schachmatt. Deutlich anspruchsvoller ist auch der Laufrad Ein- und Ausbau und verlangt mehr Umsicht und Sorgfalt, als bei einem Fahrrad mit Felgenbremsen. Und eine nicht perfekt entlüfte Scheibenbremse kann nach liegendem oder hängendem Bahn- oder Flugtransport völlig versagen und muss neu entlüftet werden. Fernreisende sollten zudem bedenken, dass Scheibenbremsen inzwischen zwar sehr zuverlässig sind, aber eine undichte Bremszange, ein festgefressener Bremskolben oder ein beschädigter Bremshebel unterwegs nicht – auch nicht behelfsmäßig – zu reparieren sind.

Die individuell richtige Bremsenwahl sollte also immer ein sehr persönlicher und fachmännisch begleiteter Prozess sein, bei dem es gilt, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Bremssysteme für sich sorgfältig abzuwägen. Denn auch die beste Bremsleistung wird einen auf Dauer nicht glücklich machen, wenn man mit der Handhabung der dafür notwendigen Technik latent überfordert ist.

Wo ein (guter) Wille ist, ist auch ein Weg…

Allerdings ist der richtige Umgang mit der Scheibenbremsen erlernbar, zumindest für interessierte Fahrradlaien. Insbesondere Ganzjahresfahrer, die auch Dauerregen und Schnee trotzen, oder Radreisende, die in entsprechenden Regionen unterwegs sind, kommen eigentlich schwer an der Scheibenbremse vorbei. Mit ein wenig Begabung, Interesse, Umsicht und Übung lassen sich die angesprochenen Probleme auf ein überschaubares Minimum reduzieren.

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